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Kronsteen

James Bond Club Deutschland - SPECTRE Nr. 005

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1

Samstag, 25. Mai 2013, 22:03

Agentur ARGUS

Agentur ARGUS








Ian Flemings
James Bond 007




in




einer
Kurzgeschichte




von




Thorsten Beckmann



























1 – Ein unmoralisches Angebot





Der britische Geheimagent James Bond saß im Büro seiner
Chefin. Es ging um einen neuen Auftrag, doch Bond war nicht richtig bei der
Sache. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um eine Frau, Havanna Westham, der
Tochter der MI6-Legende und früherem 007 Sir Henry Westham. Er hatte sie bei
seinem letzten Auftrag in Bath kennen gelernt und einige tragische Ereignisse
mit ihr in Kuba durchgemacht. Er hatte Havanna wieder neuen Lebensmut geben
können, nachdem sie von dem größenwahnsinnigen und rachedurstigen Pflanzer
Perez vergewaltigt und ihr Vater und ihr Cousin von Perez’ Tochter ermordet
worden waren. Nicht ganz zu Unrecht, wie sich herausstellte, war doch Sir Henry
Westham in Wirklichkeit ein skrupelloser Mann und einer der größten
Drogenbarone Europas gewesen. Doch nun war Havanna weg, hatte sich von Bond
getrennt, um endgültig mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. In seinem Inneren
fühlte Bond, dass es die richtige Entscheidung war, doch schmerzte es ihn
trotzdem. Ein leises Seufzen entrang sich seiner Kehle.





„Haben sie mich verstanden, 007?“ Ms schneidende Stimme riss
den Agenten aus seinen Gedanken und ließ ihn auffahren. Schuldbewusst
schüttelte er den Kopf. M stöhnte. „Reißen sie sich zusammen, 007! Ich weiß ja,
dass sie die Wahrheit über Sir Henry erschüttert hat und es ist auch tragisch
dass seine Tochter nun auch weg ist, aber Sir James Molony hat sie für
einsatzfähig erklärt und ich erwarte, dass sie diesen Auftrag gewohnt
professionell angehen.“





Bond nickte und schluckte all seine Gefühle hinunter.
„Jawohl, Madam.“





„Gut“, erwiderte M ganz ruhig. „Dann beginne ich noch einmal
von vorne. Man hat uns auf sehr ungewöhnliche Weise ein verlockendes Angebot
unterbreitet. Es geht hierbei um Entwicklungsergebnisse von geheimer
amerikanischer Forschung im Bereich der Nachrichtentechnik. Ergebnisse, die
unserem eigenen Satellitenprojekt um Dr. Reginald Jameson und dem unglücklichen,
verstorbenen Sir William Otterborough sehr zugute kommen könnten, wenn sie denn
wirklich echt sind und halten was uns da versprochen wird.“





„Ein sehr zwiespältiges Angebot“, gab Bond nachdenklich
zurück. „Es hieße ja fast unsere eigenen Freunde drüben beim CIA zu bestehlen.
Wer macht uns denn das Angebot?“





M zuckte mit den Schultern. „Der kalte Krieg ist vorbei,
007. Mittlerweile haben wir auch bei den Russen Freunde. Sehen sie es einfach
als Industriespionage bei einem benachbarten Konzern an. Heutzutage geht es
hauptsächlich um Informationen und nicht mehr darum dem anderen zu schaden.“
Sie macht eine ausladende Geste mit den Händen. „Aber jetzt wird es wirklich
interessant. Das Angebot stammt von der Agentur Argus. Schon einmal davon
gehört?“ Bond musste verneinen. „Dachte ich mir. Wir wissen selbst nicht sehr
viel darüber. Eine international operierende Detektivagentur mit Sitz in Bern,
Eigentümer ein gewisser A. R. Gus. Über Gus selbst ist praktisch gar nichts
bekannt, außer dass er ebenfalls Schweizer ist. Uns liegen keinerlei Daten über
ihn vor. Kein Geburtsdatum, keine Beschreibung. Gus scheint nur als
Unterschrift und Stimme am Telefon zu existieren.“ M öffnete die Akte, die vor
ihr auf dem Schreibtisch lag und reichte Bond ein Blatt Papier daraus. „Hier
sehen sie auf welchem Wege uns das Angebot unterbreitet wurde.“ Bond nahm das
Papier entgegen. Es war die Kopie von Vorder- und Rückseite einer Visitenkarte.
„Eingeworfen in den Briefkasten der Universal Exports Filiale in Bern von einem
vermummten Unbekannten. Der Stationsleiter Weber kam ohne Umschweife zu der
Entscheidung diesen Fall uns zu übertragen und forderte für den Fall einen
Doppelnullagenten an. Nach der uns bekannten Sachlage eine verständliche und
richtige Entscheidung. Das Original befindet sich zurzeit zur Analyse in der
Abteilung Q.“





Bond nickte und betrachtete noch einmal die Kopie. Auf der
Vorderseite befand sich ganz normal die Adresse, während auf der Rückseite
etwas handschriftlich geschrieben stand.





Biete Ergebnisse der Forschungen des Nachrichtentechnikers Masterson,


derzeit tätig im gleichnamigen amerikanischen Projekt.


Senden sie einen Vertreter an umstehende Adresse.


A. R. Gus





Gefolgt wurde dieses Angebot von einer Chiffrenummer. Bond
vermutete, dass diese Nummer in direktem Zusammenhang mit dem Masterson-Projekt
stand um die Echtheit der angebotenen Dokumente zu beweisen. Er ließ die Kopie
wieder sinken. „Und ich soll jetzt die Qualität der Ware und die Person des
Verkäufers überprüfen, nehme ich an.“





„So ist es“, bestätigte M. „Aber seien sie auf der Hut.
Möglicherweise hat Mr. Gus auch noch anderen Parteien die Unterlagen zum Kauf
angeboten um einen Höchstpreis zu erzielen.“





„Daran habe ich auch schon gedacht.“





M lächelte leicht. Es hätte sie auch gewundert, wenn Bond
diesen Punkt nicht auch schon mit eingerechnet hätte. „Miss Moneypenny gibt
ihnen das Flugticket und Q die Ausrüstung. Sie kennen das ja. Viel Glück,
Bond.“





Der Agent stand auf und verließ das Büro. Im Vorzimmer wurde
er von Moneypenny schon sehnsüchtig erwartet. „Interessanter Auftrag, James?“





„Routine“, entgegnete Bond und griff nach seinem Mantel am
Garderobenständer. „Als ich das letzte Mal in Mitteleuropa war, war das um eine
CD wiederzubekommen, jetzt wird uns eine angeboten.“ Moneypenny nickte wissend
und seufzte. „Ja, ich habe Stunden damit verbracht Informationen über diese
Agentur Argus zu suchen. Internetrecherche und Unmengen an Anrufen, Abteilungen
hier im Hause, Weber in Bern, alle anderen großen europäischen Detekteien und
dergleichen mehr. Sehr frustrierend das Ganze.“





Bond sah Moneypenny lächelnd an. „Das kann ich mir denken.
Und wie gerne würde ich dir beim Frustabbau helfen, Penny, doch leider ruft die
Pflicht.“





„Wäre ja auch noch schöner, wenn ich hier die ganze Arbeit
hätte und du nur auf der faulen Haut liegen könntest“, gab die Sekretärin
zuckersüß zurück und reichte dem Agenten das Flugticket und alle weiteren
wichtigen Unterlagen.





Wenige Augenblicke später fand sich James Bond in der
Abteilung Q wieder. Vorbei an den tüftelnden Technikern und Unmengen an
technischen Geräten und profanen Gegenständen, die es aber mit Sicherheit auch
in sich hatten, fand Bond Q schließlich
in einem kleinen Nebenraum. Q stand neben einem Schreibtisch mit Mikroskop,
Reagenzgläsern und einem speziellen Hochleistungsscanner darauf und hatte die
Hände in den Taschen seines weißen Kittels vergraben. Am Schreibtisch saß ein
hagerer Mann mittleren Alters mit dunkelbraunen Haaren und einem ebensolchen
Vollbart. Er untersuchte gerade die Visitenkarte mit einem Uhrmacherglas.
„Hallo Q.“





Q wendete sich zur Tür. „Ah, 007. Kennen sie schon Mr.
Holmes?“





„Den berühmten Detektiv?“





Q verdrehte die Augen. „Nein, unseren Graphologen. Warum
bestrafen sie mich eigentlich immer mit ihren vorsintflutlichen Witzchen?“





Bond nickte Mr. Holmes kurz zu und grinste dann Q an. „Oh,
immerhin hielten sich die von mir verursachten Schäden bei der letzten Mission
in Grenzen. Mal schauen ob ich sie noch zusammenbekomme… eine Fensterscheibe,
ein Hemd, den Lack und die Titanversiegelung des Jaguars und… das war es
eigentlich. Den Taschenrechner und den Kugelschreiber habe ich ihnen unversehrt
zurückgebracht.“





„Ich hörte da noch von einem ganzen Haus, dass sie in Schutt
und Asche gelegt haben…“





Bond wurde wieder etwas ernster. „Nun, Havanna hätte es
sowieso abreißen lassen. Es hat zu viele schlimme Erinnerungen in ihr geweckt.“





„Nun gut“, gab sich Q schließlich zufrieden. „Aber über den
Jaguar müssen wir noch reden.“ Er wendete sich dem Graphologen zu. „Was hat die
Analyse ergeben?“
"Wer ist schon Bond im Vergleich zu Kronsteen?!"

Kronsteen

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2

Samstag, 25. Mai 2013, 22:05

Holmes legte das Uhrmacherglas beiseite und schaute zu Bond
und Q. „Nun, die energisch zu nennende Schrift zeigt eindeutig, dass wir es
hier mit einem sehr selbstsicheren Mann zu tun haben. Zudem scheint er
mittleren Alters oder jünger und überdurchschnittlich intelligent zu sein. Vom
Typ her eher ein Abenteurer“, führte er aus, während Bond einen skeptischen
Blick aufgesetzt hatte. „Interessant auch Papier und Druck der Karte“, bemerkte
Holmes weiter. „Italienische Leichtpappe, Wasserzeichen einer Druckerei aus
Florenz, sehr edle Ausführung.“





Q nickte. „Danke, Holmes.“





„Elementar, mein lieber Watson“, entgegnete der Graphologe
fröhlich und zwinkerte Bond zu. Dieser konnte sich das Grinsen nicht
verkneifen. Dieser Holmes schien ein netter Kerl zu sein, auch wenn Bond nicht
recht wusste was er von dessen Schriftdeutung halten sollte. Q erwiderte
stillschweigend gar nichts und machte rasch weiter im Text. „Kommen wir zu
ihrer Ausrüstung. Folgen sie mir, 007.“





Q und Bond verließen das Büro und gingen zu Bonds Wagen.
„Ah, ein guter alter Aston Martin“, meinte Bond erfreut als sie das Auto erreichten.
„Ich nehme einmal an die Neulackierung des Jaguars gestaltet sich sehr
zeitaufwendig.“





„Sie haben es erfasst und sind damit selbst schuld, dass er
ihnen jetzt nicht zur Verfügung steht“, stimmte Q ihm zu. „Deshalb jetzt ein
Aston, nur minimal verbessert. Keine großen Extras drin und daher optimal für
ihre kostspielige Fahrweise. Kugelsicher und Maschinengewehre vorne und hinten,
quasi die MI6-Standardausführung für Routinemissionen. Ich bezweifle, dass sie
ihn überhaupt brauchen werden.“ Q wendete sich um und einem Tisch zu. „Kommen
wir nun zu etwas, dass sie aber ganz bestimmt brauchen werden.“ Bond trat neben
ihn und erblickte ein Laptop. „Alle nötigen Daten und Programme darauf um
Proben der angebotenen Dokumente auf ihre Echtheit zu überprüfen.“





„Und bringen sie alles heil zurück, 007“, ergänzte Bond
grinsend in Qs üblichem Tonfall, woraufhin Q nur entnervt den Kopf schütteln
konnte.





2 – Alte Bekannte





Noch am selben Abend saß der britische Geheimagent James
Bond im Büro des Berner Stationsleiters Weber. Weber war ein grauhaariger,
etwas nervös wirkender Mann um die fünfzig. Er hatte seine schmale, eckige
Brille abgenommen und putzte sie mit einem weißen, textilen Taschentuch,
während er Bond weitere Informationen zukommen ließ. Viel konnte er allerdings
auch nicht sagen. „Die Agentur ist in einem modernen Geschäftsgebäude direkt an
der Aare untergebracht. Und es ist eine Schande, dass wir so wenig wissen. Wir
könnten ihnen den Lebenslauf des Pförtners in allen Einzelheiten darlegen, aber
wir wissen überhaupt nichts über die weiteren Mitarbeiter. Die Agentur wurde
vor fünf Jahren von A. R. Gus gegründet und hat sich seitdem durch die Lösung
einiger obskurer Fälle einen Namen gemacht. Einige davon auch im Ausland. Sie
müssen über ein recht ansehnliches Netz an Detektiven und Informanten verfügen.“
Weber seufzte. „Ich wünschte, ich könnte einen von denen abwerben und auf Gus
selbst ansetzen. Wenn wir überhaupt etwas über Gus wissen, dann sind es
widersprüchliche Aussagen. So will der eine wissen, dass A. R. Gus für Adolphe
René Gus steht, eine andere Quelle nennt als wirklichen Namen Gustav Asbach-Roth.
Einige sagen, er wäre ein aufstrebender junger Geschäftsmann, andere hingegen
sprechen von ihm als alten Sonderling. Wie sie sehen, liegt es an ihnen mehr
über ihn herauszufinden, wenn sie mit ihm in Kontakt treten.“





Bond nickte langsam. „Ein Treffen mit einem Phantom also.
Hat sich Gus in der Zwischenzeit noch einmal gemeldet?“





Weber schüttelte den Kopf und setzte seine Brille wieder
auf. „Nein. Nach der Visitenkarte kam nichts mehr. Es liegt anscheinend jetzt
an uns zu handeln. Sie werden die Agentur als Vertreter von Universal Exports
aufsuchen. Ich bin sicher, man wird sie dort schon erwarten.“ Weber begann
unruhig mit dem Taschentuch in seiner Hand zu spielen. Bond beobachtete dies
misstrauisch und fragte sich wie so ein nervöser Mensch es überhaupt zum
Stationsleiter gebracht hatte. Als Weber Bonds Blick bemerkte, steckte er das
Taschentuch, in dem sich mittlerweile mehrere kleine Knoten befanden, rasch
zurück in seine Hosentasche. „Ich bin bei dieser ganzen Angelegenheit sehr
skeptisch, Mr. Bond. Aber notfalls kann ich auf gute Verbindungen zur Kantonspolizei
zurückgreifen, um sie aus etwaigen Schwierigkeiten herauszuhauen.“





„Gut“, bestätigte Bond. „Hoffen wir aber mal, dass es nicht
soweit kommt.“





„Äh, ja, ja“, nickte Weber, der immer das Schlimmste
vermutete, geschäftig und fuhr fort. „Sie sind untergebracht im Hotel Bellevue
Palace in der Altstadt, neben dem Parlament und nicht weit von der Aare
entfernt. Fünf Sterne und damit genau das Richtige für den Geschäftsreisenden
von Welt. Ihr Termin in der Agentur Argus ist morgen um 11 Uhr. Das wäre dann
eigentlich alles. Oder haben sie noch Fragen, Mr. Bond?“





Der Agent verneinte, verließ das Gebäude der Universal
Exports und fuhr zum Hotel. Er überantwortete seinen Aston Martin einem
Bediensteten des Hotels und checkte an der Rezeption ein. Während die nette und
hübsche Empfangsdame den Schlüssel heraussuchte, blickte sich Bond in der Lobby
um. Für einen Moment stockte er und kniff die Augen zusammen. War das möglich?
Die blitzenden graublauen Augen, das ebenmäßige, helle und jugendliche Gesicht,
die braunen, leicht gewellten, schulterlangen Haare… Anna? Bond schaute
abermals in die Richtung. Es war keine Frau mehr zu sehen. Hatte er sich
geirrt? „Ihr Schlüssel, Mr. Bond“, riss ihn die Empfangsdame aus seinen
Gedanken.





„Danke.“ Bond nahm den Schlüssel entgegen und ging in seine
Suite. Er packte seinen Koffer aus und ließ noch einmal alle Informationen
Revue passieren. Viel weiter brachte es ihn allerdings nicht. Natürlich war es
möglich, dass die Agentur zufällig in den Besitz von Mastersons
Forschungsergebnissen gekommen war, gingen doch viele Arten von Informationen
durch ihre Hände, und es war auch verständlich, dass nun versucht wurde, damit
Geld zu machen, besonders wenn A. R. Gus, wie der Graphologe analysiert hatte,
tatsächlich ein Abenteurertyp war. Doch wurde Bond das unbestimmte Gefühl nicht
los, dass da noch etwas mehr hinter steckte. Etwas unbefriedigt ging er
schließlich zu Bett.





Punkt 11 Uhr fand James Bond sich schließlich nach einem
ausgedehnten Frühstück mit viel Rührei und schwarzem Kaffee im Geschäftsgebäude
der Agentur Argus wieder und ließ sich von dem kräftigen Pförtner durch die
hellen, modernen Gänge führen. Hier und da waren Schreibmaschinen,
Computertastaturen und Nachrichtenticker zu hören. Schließlich blieb er an
einer dicken Bürotüre stehen und öffnete sie. „Hier bitte, Mr. Bond.“ Bond
bedankte sich und trat ein. Hinter ihm wurde die Tür wieder geschlossen. Der
Brite blickte sich um.


Er war in einem großen, abgedunkelten Büro mit moderner,
beinahe steriler Einrichtung. Aktenschränke standen an den Wänden und durch die
Jalousien vor dem Fenster konnte man die Berge sehen. Außer ihm selbst waren
noch zwei andere Personen in dem Raum. Links von ihm an einem kleinen
Schreibtisch saß eine attraktive Frau mit langen, glatten, braunen Haaren an
einer Blindenschreibmaschine. Bond konnte ganz deutlich ihre toten, glasigen
Augen erkennen. Am anderen Ende des Raumes saß ein Mann hinter einem großen
Schreibtisch mit zwei Besucherstühlen davor. Der Mann schien die besten Jahre
seines Lebens schon hinter sich zu haben, hatte langsam ergrauende Haare und
ein feistes Gesicht. Eines seiner Augen war merkwürdig starr. „Herzlich
willkommen, Mr. Bond von der Universal Exports“, begann der Mann mit
volltönender Stimme zu sprechen. „Ich weiß, es muss für sie einen sehr
surrealen Eindruck machen, die Führung der Agentur Argus blind oder mit einem
Glasauge.“ Er hatte ein belustigtes Grinsen aufgesetzt.





Vorsichtig trat Bond näher. Die Frau hatte sich nun von der
Schreibmaschine abgewendet und verfolgte aufmerksam jeden einzelnen Schritt des
Agenten. „Mr. A. R. Gus?“





Der feiste Mann lachte. Es war ein donnerndes, wenig
anziehendes Lachen. „Nein, wo denken sie hin. Mein Name ist Bates. Ich bin der
Geschäftsführer von Mr. Gus. Das da vorne ist Miss Allison. Zwar blind, aber
durch ihre geschärften Sinne das Gehirn unserer Agentur“, stellte Bates die
Frau vor.





„Von Geburt an blind“, fügte Miss Allison hinzu und blickte
unverwandt in Bonds Richtung. Sie hatte wirklich ein hübsches Gesicht. „Setzen
sie sich doch, Mr. Bond“, tönte Bates.





Bond, dem die ganze Situation etwas unheimlich war, leistete
Bates’ Angebot Folge und ließ sich in einem der beiden metallenen
Besucherstühle nieder. Sie waren genauso unbequem wie sie aussahen und sicher
nicht für längeres Sitzen gedacht. „Wir haben ein Angebot von Mr. A. R. Gus“,
begann Bond nun hart. „Ich verlange mit ihm persönlich darüber zu verhandeln.“





Bates schaute den Agenten ein wenig betrübt an und rieb sich
die breiten Hände. „Da muss ich sie leider enttäuschen. Sie werden wahrscheinlich
denken, dass ich ihnen gestehe, dass es keinen A. R. Gus gibt und sich dieser
Name nur sehr gut als Aushängeschild für die Agentur macht, aber diese Illusion
muss ich ihnen nehmen. Es gibt Mr. Gus wirklich, nur ist er leider die meiste
Zeit außer Landes. Wir erwarten erst für übermorgen eine seiner üblichen
Stippvisiten. Was den angebotenen Deal angeht, so werden sie schon mit mir und
Miss Allison vorlieb nehmen müssen. Mr. Gus hat alles in meine Hände gelegt.“





„Na toll“, dachte Bond und seufzte innerlich, bevor er etwas
erwiderte. „Ich nehme an, sie haben dann schon eine Probe des zum Verkauf
stehenden Objektes zur Prüfung durch mich vorbereitet.“





Bates nickte. „Miss Allison?“





Die Frau erhob sich, ging zielstrebig zu einem Aktenschrank
und holte dort eine CD vor. Sie trat zu Bates’ Schreibtisch und streckte Bond
die CD entgegen. „Bitte sehr.“ Bond hatte jede ihrer Bewegungen genau verfolgt.
Sie wirkten etwas ungelenk, aber man merkte, dass ihr die Umgebung sehr
vertraut war. Bond nahm ihr die CD ab, steckte sie sorgfältig weg und schaute
wieder zu dem Geschäftsführer. „Danke. Ich werde die Daten bis morgen überprüft
haben.“





„Lassen sie sich ruhig Zeit“, entgegnete Bates genügsam. „Es
gibt zwar das Sprichwort ‚wer zuerst kommt, mahlt zuerst’, doch bei uns mahlt
derjenige mit dem besseren Angebot.“





„Es gibt also tatsächlich mehrere Interessenten? Wen?“





Bates schüttelte den Kopf. „Geschäftsinterna werden nicht
verraten“, lächelte er. „Wir sehen uns hier morgen früh um die gleiche Zeit
wieder und verhandeln über den Preis. Bringen sie Mr. Bond zur Tür, Miss
Allison.“





Miss Allison nickte und wartete. Bond erhob sich und ging
mit Miss Allison, die sich im Büro wirklich sicher bewegte, zur Tür. „Bis
morgen dann, Mr. Bond“, lächelte sie, nachdem sie mit kleinen Unsicherheiten
die Tür geöffnet hatte. Bond blickte noch einmal kurz zu Bates zurück, der
selbstgefällig in seinem Bürostuhl saß, und verließ dann den Raum.





Ohne Umschweife kehrte der britische Agent in sein Hotel
zurück und zückte in seiner Suite angekommen eine Flasche Wodka, ein Glas und
Qs Laptop. Während der Computer hochfuhr, goss Bond sich etwas ein und trank
das kleine Glas in einem Zug leer. Die Begegnung mit Bates und seiner
Sekretärin hatte einen merkwürdigen Geschmack in seinem Mund hinterlassen, den
er unbedingt wieder loswerden wollte.


Bond hatte gerade die CD eingelegt und die Überprüfung
bestätigt, als es an seiner Zimmertür klopfte. Bond senkte den Monitor des
Laptops, ging zur Tür und öffnete. Es war der Hotelpage mit einem Tablett, auf
dem ein Brief lag. „Eine Nachricht für sie, Mr. Bond. Wurde eben an der
Rezeption für sie abgegeben.“ Bond nahm den Brief entgegen, gab dem Pagen ein
angemessenes Trinkgeld und schloss die Tür. Er schaute kurz zu dem Laptop, der
aber immer noch arbeitete und ließ sich auf seinem Bett nieder. Der
Briefumschlag war nicht zugeklebt. Der Agent faltete die Lasche um und holte
einen kleinen Zettel heraus.





In einer Stunde im Art Café, Gurtengasse 3,


Anna




Anna! Er hatte sich also nicht getäuscht und sie war
tatsächlich auch hier. Wahrscheinlich hatte Gus dem russischen Geheimdienst das
gleiche Angebot gemacht und sie wurde als Unterhändlerin geschickt. Bond musste
unwillkürlich lächeln. Wie damals als er und Major Anya Amasowa Unterhändler um
das U-Boot-Ortungssystem waren. Ungeduldig wartete der Agent die Analyse ab,
packte die CD und den Laptop sicher weg, als er ein positives Ergebnis
angezeigt bekam, und machte sich auf zu dem angegebenen Treffpunkt.





3 – Gemeinsame
Recherchen






Der britische Geheimagent James Bond betrat das Art Café in
Bern. Hier sollte er sich mit seiner russischen Berufskollegin Anna Aprewski
treffen. Er schaute sich in dem hellen, schicken Café um und erblickte die
blitzenden graublauen Augen und das jugendliche Gesicht sofort. Anna saß in
einer ruhigen Ecke und lächelte ihn an. Freudig ging er auf sie zu. „Und so
sehen wir uns erneut im Schatten der Alpen wieder“, lächelte Bond. „Ich hoffe,
du hattest keinen Ärger damals, weil ich dir die CD wieder abgenommen habe.“





Anna schüttelte ihren Kopf, verlockend flogen ihre braunen
Haare durch die Luft. „Nein, sie haben es mir geglaubt, dass ich nur Morris’
Leiche und keine CD mehr vorgefunden habe. Setz dich, James.“





Bond nahm Platz und beide bestellten beim Kellner einen
Milchkaffee. „Was macht dein Bruder?“





„Staatsgeheimnis, James“, lächelte Anna. Sie hatte ein
natürliches Lächeln, das Bond erneut in ihren Bann zog. „Aber es geht ihm gut.
Er hat mir berichtet, wie ihr zusammen Perez ausgeschaltet habt. Er war sehr
angetan von der Zusammenarbeit mit dir.“
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Kronsteen

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3

Samstag, 25. Mai 2013, 22:05

„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben“, nickte Bond. „Wir
waren wie ein eingespieltes Team.“





„Dann ist wohl jetzt ein guter Zeitpunkt um noch einmal mit
einem Aprewski zusammenzuarbeiten“, gab Anna freundlich zurück, während der Kellner
die Getränke brachte. Als er wieder außer Hörweite war, fuhr sie fort. „Ich
hatte um 10 Uhr einen Termin bei Bates, du warst um 11 Uhr bei ihm, nicht wahr?
Ich habe dich gesehen.“ Bond nickte. „Unheimliche Menschen dieser Bates und
seine Sekretärin, nicht wahr? Ich nehme an, ihr wisst über die Agentur Argus
und ihren Inhaber auch nicht mehr als wir, oder?“





„Nein“, schüttelte Bond bedauernd den Kopf und nahm einen
Schluck vom Milchkaffee. „Allerdings scheinen die angebotenen Dokumente echt zu
sein.“





„Das haben meine Untersuchungen auch ergeben“, bestätigte
Anna. „Aber irgendetwas ist da faul. Ich spüre es.“ Anna machte eine kurze
Pause und schaute Bond an. „Was hältst du von einem kleinen inoffiziellen
Besuch in der Agentur heute Nacht?“





Bond blickte ernst zurück. „Das halte ich für eine gute
Idee. Unser Stationsleiter Weber hat versichert, mir notfalls alles Erdenkliche
an Rückendeckung zu geben.“





„Dann müssen wir nur noch entscheiden, was wir in der
Zwischenzeit machen, es ist noch lange hin bis heute Abend.“ Verführerisch sah
sie Bond an.





„Zu dir oder zu mir?“ erwiderte der Agent lächelnd.





„Lieber zu dir“, gab Anna zurück. „Der SWR ist was die
Hotels angeht nicht so spendabel wie der MI6.“





Lachend nahm Bond Annas Hand. Ihre erfrischende und herzliche
Art war wirklich das Richtige, um den fauligen Geschmack, den die Begegnung mit
Bates hinterlassen hatte, loszuwerden.





James Bond und Anna Aprewski flanierten noch ein wenig durch
die Berner Altstadt und sahen sich das Figurenspiel des Zeitglockenturmes, das
jeweils vier Minuten vor jeder vollen Stunde lief, in der Kramgasse an, bevor
sie einige schöne Stunden in Bonds Hotelsuite verbrachten. Als es dunkel wurde
machten sie sich schließlich an die Vorbereitungen der nächtlichen Aktion.
Vorausschauend hatten sie auch Annas Sachen am Nachmittag aus ihrem Hotel
abgeholt, so dass sich beide nun im Bellevue Palace umzogen. Bond prüfte noch
einmal die Batterien seiner Taschenlampe, Anna lud ihre Waffe und so fanden
sich beide eine halbe Stunde später vor dem Geschäftsgebäude der Agentur
wieder. „Es sieht ziemlich leer und verlassen aus“, flüsterte Anna. „Siehst du
irgendwo einen Nachtwächter?“





Bond schüttelte den Kopf. „Merkwürdig“, raunte er und sah
sich um. Schließlich nickte er in eine bestimmte Richtung. Anna folgte seinem
Blick. „Eine Überwachungskamera!“ Bond nickte. „Aber sehr ungeschickt
platziert. Wenn aus dieser Richtung ein Auto kommt, blenden die Scheinwerfer
die Kamera. Das ist unsere Chance.“





Zehn Minuten mussten die beiden noch warten, bis sie die
Gelegenheit hatten an der Kamera vorbei zum Haupteingang zu huschen. Doch es
gelang ohne Probleme. Der Brite sicherte die Umgebung, während die russische
Agentin das Schloss mit einem Dietrich bearbeitete. Schließlich sprang es auf
und Bond und Anna schlüpften in die Eingangshalle. „Die Hauptgeschäftsräume
sind im zweiten Obergeschoss. Wir nehmen am Besten die Treppe.“





Vorsichtig und lauernd schlichen die beiden durch das
Gebäude und schalteten die Taschenlampen nur im Notfall an. Alles war still und
ruhig. Gerade als Bond dachte, dass es fast schon zu ruhig war, gelangten die
Agenten an ein weiteres Hindernis im Flur des zweiten Stockwerkes: Eine wild
zuckende Laserbarriere!





„Ich glaube, wir haben den wichtigen Bereich der Agentur
entdeckt“, seufzte Anna. „Wie sollen wir da nur durch kommen?“





Bond erwiderte nichts, sein Blick hing gebannt an den
Lasern. „Da ist ein System drin, Anna.“





„Du hast Recht“, entgegnete die Russin, die nun ebenfalls
auf die Lichtlanzen blickte, während Bond sich in die Mitte des Flures stellte,
tief durchatmete, durch die Laserblitze sprang und unbeschadet auf der anderen
Seite abrollte. Fast hätte Anna erschrocken aufgeschrieen. Der Agent stand auf.
„Komm Anna, du schaffst es auch, du musst nur den richtigen Moment abwarten.“





Anna nickte, stellte sich ebenfalls in die Mitte des Flures
und versuchte ihre Angst zu unterdrücken. Mit einem geschmeidigen Flickflack
erreichte auch sie sicher die andere Seite. Erleichtert atmete sie aus. „Ich
hatte den roten Strahl direkt vor Augen… ich dachte, ich packe es nicht…“





„Es ist ja alles gut gegangen, Anna“, tröstete sie Bond, die
ihn dankbar anlächelte. „Wohin jetzt?“





Der Brite schaute sich um. Die Wahl war sehr einfach, es gab
auf dieser Seite der Barriere nur eine Tür. Wieder übernahm Bond die Sicherung
und Anna das Aufbrechen. Im Inneren des Raumes befanden sich unzählige
Aktenschränke. Ein vergittertes Fenster warf das fahle Mondlicht herein. Die
Agenten schalteten ihre Taschenlampen ein und machten sich daran den Inhalt der
Schränke zu untersuchen. Es waren alles streng geheime Informationen aus den
verschiedensten Geheimdiensten der Welt. „Das ist keine Detektei, das ist ein
privater Spionagering! Nicht auszudenken, wenn das alles in falsche Hände
gerät“, meinte Anna fassungslos.





„Wahrscheinlich ist es das schon und dies sind nur
Sicherungskopien“, befürchtete Bond. „Wir müssen das gemeingefährliche Treiben
dieser Agentur mit allen Mitteln beenden!“





„Aber das müssen die doch geahnt haben… warum hat man uns da
jetzt mit hineingezogen?“ Anna blickte Bond an, dessen Augen sich in düsterer
Erkenntnis weiteten. „Bei Gott, du hast Recht! Dann muss das hier jetzt…“





„Eine Falle sein, ganz recht“, tönte Bates’ Stimme durch den
Raum. Wie vom Blitz getroffen fuhren Bond und Anna herum! Lachend stand Bates
im Türrahmen, in der einen Hand ein Revolver, in der anderen Hand ein
Molotowcocktail. „Trotz Einäugigkeit sieht Argus alles“, höhnte er. „Die
Laserbarriere war übrigens ungefährlich und nur eine einfache Lichtschranke,
auch die Kamera im Hof war absichtlich so positioniert und sie sind voll darauf
hereingefallen.“ Bates lachte abermals, gnadenlos und schadenfroh. Die beiden
Agenten hatten zwar noch ihre Waffen, waren ihm aber dennoch hilflos
ausgeliefert. Er würde ihnen mit Sicherheit keine Gelegenheit lassen, diese zu
ziehen. Zudem hatte er ein brandgefährliches Argument gegen den Waffengebrauch
in der Hand. Plötzlich verstummte Bates und warf den Molotowcocktail mit aller
Kraft gegen die hintere Wand. Die Explosion ließ Anna und Bond zusammenfahren,
langsam breitete sich das Feuer aus, der Rauch ließ ihre Kehlen trocken werden.
Doch zu ihrer großen Überraschung trat Bates einen Schritt zurück. „Kommen sie
heraus hier. Und ja keine Mätzchen. Dies ist nur die Vernichtung von belastendem
Beweismaterial, sie beide brauchen wir noch lebend.“





Rasch eilten die beiden zur Tür, bevor ihnen der Rauch
völlig den Atem nahm oder das Feuer sie erreichte. Bond ließ Anna dabei den
Vortritt. Als sie draußen war, nahm Bond seine ganze Kraft zusammen, spannte
seine Muskeln an und sprang Bates wie ein wildes Tier an. Überrascht schrie
dieser auf und versuchte sich zu wehren, wollte einen Schuss abgeben, doch
schon hatte Anna die Hand mit dem Revolver ergriffen und schlug ihn Bates aus
der Hand. Ein Schlüssel glitt Bates bei der Rauferei aus der Tasche, den Anna
sofort aufhob. Mit einem gekonnten Schulterwurf beförderte Bond den feisten
Geschäftsführer in das Inferno und schloss hinter diesem die Tür. Rasch steckte
Anna den Schlüssel ins Schloss und sperrte Bates in seiner selbst geschaffenen
kleinen Hölle ein. Nach kurzer Zeit erstarben Bates’ verzweifelte Schreie.





Bond und Anna atmeten tief durch und wollten sich gerade
wieder aufrichten, als zweimal kurz hintereinander etwas durch die Luft surrte
und beide einen kurzen stechenden Schmerz im Oberkörper spürten. Bond wendete
sich um und konnte noch Miss Allison erkennen, die mit erhobenem Revolver vor
der abgeschalteten Laserbarriere stand, und sich die Kontaktlinsen aus den
Augen entfernte, bevor er von einer gnadenlosen Schwärze umfangen wurde.





Mühsam und mit hämmernden Kopfschmerzen kam Bond wieder zu
sich. Langsam schlug er die Augen auf, gewöhnte sich zögernd an das Halbdunkel
und sah sich um. Er saß an einen Stuhl gefesselt in einem Kellerraum. An der Wand
vor ihm hingen, mit Handschellen an Eisenhaken befestigt, Anna und ein ihm
unbekannter, bewusstloser Mann. Miss Allison stand erwartungsvoll neben ihm.
„Wo bin ich?“





4 – Jagd nach A. R.
Gus






„Wo bin ich?“ wiederholte der britische Geheimagent James
Bond müde. Er neigte den Kopf und schaute Miss Allison an. Trotz der fehlenden
weißen Kontaktlinsen, die ihr Gesicht wieder viel lebendiger wirken ließen, war
doch alles Hübsche aus ihrem Antlitz verschwunden und einer Eiseskälte
gewichen. „Das spielt keine Rolle“, erwiderte sie.





„Was haben sie mit uns vor? Wer ist der Mann?“





„Nur die Ruhe, Mr. Bond. Ich werde ihnen gleich alles
erklären und sie können sich schon einmal freuen, denn sie werden der einzige
der Anwesenden sein, der diesen Keller wieder lebendig verlässt. Außer mir
natürlich“, grinste sie. „Und der Mann ist nur ein unwichtiger kleiner
CIA-Agent auf der Suche nach unserem Informanten und den Kopien von Mastersons
Forschungsergebnissen.“ Ein melodisches Handyklingeln unterbrach Miss Allison.
„Verzeihung. Einen Moment bitte, Mr. Bond.“ Miss Allison holte ihr Handy hervor
und nahm den Anruf entgegen. „Allison… Ach, sie sind es… Ja, stimmt, Bates ist
tot… Nein, das ändert nichts. Es wird alles weiterhin planmäßig ablaufen. Gus
kommt wie besprochen morgen um 15 Uhr bei ihnen vorbei… Wiederhören.“ Sie
steckte ihr Handy wieder weg und ging zu einem kleinen Beistelltisch, auf dem
eine Spritze und drei Waffen lagen, eine davon war Bonds Walther, die andere
gehörte Anna und die letzte war wohl die Ausrüstung des CIA-Mannes. Miss
Allison nahm die Spritze und ging zu Bond. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie
Handschuhe trug. „Dies hier ist ein Betäubungsmittel, Mr. Bond, in einer ganz
speziellen Dosierung. Es wird sie ermatten, aber ihnen noch ein Mindestmaß an Bewusstsein
lassen. Sie werden damit zu meinem willenlosen Werkzeug. Ich werde ihnen dann
ihre Walther in die Hand drücken und mit ihrem Finger tödliche Schüsse auf die
beiden anderen abgeben. Danach werde ich sie hier mit den Leichen zurücklassen
und Polizei und Presse von ihrer Bluttat informieren. Ihre Waffe, ihre
Fingerabdrücke, ihre Schmauchspuren. Sie selbst werden durch das Mittel nur
noch eine sehr dunkle Erinnerung an alles haben, möglicherweise bleiben ihnen
nur die beiden Schüsse und das Feuer in der Agentur im Gedächtnis.“ Sie machte
Bonds Arm frei und injizierte ihm das Mittel. Er war ihr hilflos ausgeliefert.
Dem kurzen Stich folgte ein leichtes Kribbeln. „Warum das alles?“





„Ganz einfach, alle Welt wird von dem Amoklauf des
britischen Agenten James Bond erfahren, der für eine CD über Leichen geht. Und
es wird niemanden geben, der beweisen kann, dass sie weder die beiden anderen
Agenten auf dem Gewissen noch Bates nicht in Notwehr ermordet haben. Sehen sie
es als Beginn einer neuen Welle subtilen Terrors oder als Erprobung und Zurschaustellung
unserer Macht, ganz egal. Sie werden sowieso bald vergessen. Der Chef wird sehr
zufrieden sein.“ Mit Genugtuung sah sie James Bond langsam in sich
zusammensacken, seine Augen waren halb geschlossen. Eine unendliche Müdigkeit
legte sich auf seinen Körper und seine Gedanken. Miss Allison öffnete Bonds
Fesseln. Er war wie gelähmt. „James!“ rief Anna verzweifelt. „Sie Teufelin!“
Doch Miss Allison lachte nur, griff sich Bonds Walther und legte sie ihm
beinahe zärtlich in die rechte Hand. Sie selbst griff den Abzug von links aus,
zielte und schoss! Blut breitete sich auf der Brust des CIA-Agenten aus. Mit
einem diabolischen Grinsen führte sie Bonds Hand nun in Annas Richtung…





Bond stöhnte. Was war los? War da ein Schuss? Hatte er etwa
geschossen? Von Ferne hörte er verzweifelte Rufe. War das eine Frau? Die Stimme
kam ihm so bekannt vor. Er versuchte zu lauschen. „Kämpfe, James!“ schien die
Stimme zu rufen. Kämpfen? Ja, kämpfen musste er… Ankämpfen gegen diesen Schleier
in seinen Gedanken, die Schwere in seinen Gliedern. Nur wie? Wie? Ein Gefühl!
Ein tiefes Gefühl! „Sir Henrys Ruhm fußt in Wahrheit nur darauf, dass er immer
genau wusste wann er wen bestechen, liquidieren oder Bestechungsgeld annehmen
musste... liquidieren… liquidieren…“, tönte es in Bonds Kopf. Liquidieren? War
er nicht gerade selber dabei jemanden zu liquidieren um an irgendetwas zu
kommen? Ein Bild nahm langsam vor seinem inneren Auge Gestalt an: Havannas
Cousin, der ihm mit erhobener Waffe hämisch die Wahrheit über Sir Henry ins
Gesicht schleuderte! Und da war sie! Wut! Unbändige Wut!





Miss Allison schrie erschrocken auf, als sie plötzlich
Widerstand spürte und Bond anfing wild nach ihr zu schlagen. Anna nutzte den
Moment ihrer Unaufmerksamkeit und versuchte abermals sich zu befreien während
Bond und Miss Allison miteinander rangen. Sie fand schließlich mit ihren Füßen
Halt an der Wand, konnte sich von dem Haken lösen und den eiskalten Todesengel
mit ihren Handschellen in einen Würgegriff nehmen und von Bond zurückziehen.
Schreiend wehrte sie sich, doch Bond drückte ab! Leblos sank ihr Körper auf den
Steinboden. Bond bekam noch mit wie die Tür aufgebrochen wurde und Weber mit
der Kantonspolizei erschien, bevor er den Kampf gegen das Betäubungsmittel wieder
aufgeben musste. Anna atmete erleichtert durch. „Sie sind Mr. Weber? Wir müssen
den letzten Anrufer auf Miss Allisons Handy feststellen, dann kommen wir an Mr.
Gus heran!“





„Schwarzenberg, ein Bankier“, berichtete Weber noch am
selben Abend in seinem Büro Anna und dem wieder vollkommen hergestellten Bond.
„Ein korrupter Bankier“, verbesserte Bond Weber, der ihn daraufhin fragend
ansah. „Ich hörte von ihm bei meinem letzten Fall“, erklärte der Agent. „Wie
haben sie uns eigentlich gefunden, Weber?“





Der Stationsleiter lächelte. „Nun, wir fanden eine Leiche in
der brennenden Agentur. Anhand des Glasauges konnten wir den Mann
identifizieren, ein bekannter Gangster. Das Haus in dem man sie gefangen hielt
war früher sein Unterschlupf.“ Nun wusste Bond, dass der nervöse Weber durch
Scharfsinn und Tatkraft zum Stationsleiter aufgestiegen war und er empfand
wirkliche Achtung vor ihm.





Schwarzenberg, ein schwarzhaariger Mann Mitte Dreißig mit
runder Nickelbrille und äußerst gepflegtem Äußeren, tupfte sich mit seinem
Taschentuch einige Schweißtropfen von der Stirn. Er wusste, was er zu sagen
hatte und er hatte gewusst, dass die Herren kommen würden. A. R. Gus hatte es
ihm vorausgesagt. Doch war ihm bei der Sache nicht geheuer. Er blickte noch
einmal in die Runde. Es waren zwei Kantonspolizisten, ein hart und etwas
verwegen aussehender Engländer und eine junge Russin. „Ich weiß wirklich nicht,
was sie meinen, meine Herrschaften. Hier war niemand. Ich war hier ganz
allein.“





„Machen sie uns doch nichts vor, Schwarzenberg“, fuhr ihn
Bond an. „Wir haben eine Abhöranlage in ihrem Büro installiert. Sie haben eben
mit Mr. Gus gesprochen!“





„Ach so, das meinen sie“, gab Schwarzenberg mit gekünsteltem
Lächeln zurück. „Das ist ein älteres Gespräch auf einem Tonband gewesen. Es enthält
wichtige Anweisungen zu seinen Investitionen, die ich gerade schriftlich
fixieren wollte.“ Er holte ein Tonbandgerät hervor, spulte etwas zurück und
spielte dann einige Sekunden davon ab. Es war tatsächlich das eben mitgehörte
Gespräch. Rasch schaltete Schwarzenberg wieder ab. Misstrauisch trat Bond zum
Schreibtisch und schaltete das Tonbandgerät zum Schrecken des Mannes wieder an.
Nun hörte man eine Tür gehen, die harten Schritte der Polizisten, eine Klinke
und Bond, der den Bankier aufforderte die Tür zu öffnen. „Sie können uns nicht
reinlegen, Schwarzenberg. Sie haben das eben selbst mitgeschnitten.“ Bond
blickte zu den Polizisten. „Wände absuchen, hier muss eine versteckte Tür
sein.“ Die Polizisten klopften die Holzverkleidung des Raumes ab und fanden
tatsächlich eine Stelle an der es hohl klang. „Was ist dahinter?“





Schwarzenberg blickte berechnend zu Bond. „Das ist nur ein
altes Treppenhaus, es ist schon Jahrzehnte unbenutzt. Einige Zentimeter über
dem Fußboden befindet sich zwar noch ein Schlüsselloch in der Vertäfelung, aber
ich habe dafür keinen Schlüssel.“




„Aufbrechen“, befahl Bond. Schwarzenberg nutzte die
Bemühungen der Männer, um eine Schublade seines Schreibtisches aufzumachen und
eine Pistole zu zücken. „Hände hoch!“ Er trat einen Schritt zurück zum Fenster
seines Erdgeschossbüros und öffnete es. „Wehe sie folgen mir!“ Er kletterte auf
den Hof hinaus und wurde dort sogleich von drei weiteren Kantonspolizisten
gestellt. Kapitulierend ließ der Bankier seine Waffe fallen, während Bond ans Fenster
trat. „Es ist aus, Schwarzenberg. Reden sie endlich.“ Schwarzenberg ließ den
Kopf sinken, seufzte und blickte dann wieder auf. Zu Bonds Erstaunen lächelte
er überlegen. „Ja, Mr. Gus war eben bei mir. Das Treppenhaus führt zu einer
Tiefgarage. Ich sollte sie so lange wie möglich aufhalten, damit er Zeit hatte
zu fliehen. Sie erwischen ihn nicht mehr. Er ist schon wieder auf dem Weg ins
Ausland.“ Widerstandslos ließ er sich von den Polizisten die Handschellen
anlegen und abführen. Anna machte Anstalten noch etwas zu sagen, doch Bond
hielt sie zurück. „Ich weiß wo Gus hin ist“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Was
hältst du von einem Trip mit dem Aston Martin nach Florenz? Seine Visitenkarte
wurde dort gedruckt.“





James Bond und Anna Aprewski betraten, getarnt als Ehepaar,
die beeindruckend luxuriöse Lobby des Grand Hotels. Alles war aufgrund des gerade
stattfindenden Karnevals schon festlich geschmückt. „Mr. und Mrs. Fleming? Es
ist schon eine Nachricht für sie eingetroffen“, begrüßte sie der ältere
Empfangschef und reichte dem Agenten einen Briefumschlag. Bond öffnete ihn
sofort und entnahm ihm eine Visitenkarte der Agentur Argus. Er drehte sie um,
während Anna neugierig über seine Schulter schaute.





Ich wusste, dass sie über die Karte auf meine Spur kommen würden.


Ich erwarte sie heute um 22 Uhr an der Ponte Vecchio.


Sie werden mich erkennen.


A. R. Gus




„Das riecht doch wieder nach einer Falle“, bemerkte Anna
leise. Bond nickte. „Aber diesmal werden wir uns von vornherein vorsehen.“





Der Arno schimmerte silbern im Mondlicht, die Nachtluft war
angenehm frisch und von überall her erklang noch Musik als die beiden Agenten den
Weg vom Hotel zur ältesten Brücke von Florenz zurücklegten. Unter den vielen
maskierten und stilvoll kostümierten Menschen, die immer noch unterwegs waren,
fielen die beiden zwar auf, doch es war ihnen egal. Sie hatten all ihre Sinne
auf die Umgebung ausgerichtet. Wie leicht konnte man hier in einen Hinterhalt
geraten. „Dort!“ Anna blieb stehen und griff nach Bonds Arm. Dieser folgte
ihrem Blick. Rechts von ihnen war ein Mann in einem schwarzen Mantel
aufgetaucht. Er trug eine weiße Halbmaske und eine weiße, mit blauen
Edelsteinen besetzte Kappe. Um die Steine waren mit schwarzem Garn die Formen
von Augen gestickt. „Mr. A. R. Gus, nehme ich an“, begann Bond. Dieser nickte. „Verzeihen
sie mir diese ominöse Einladung, aber ich liebe bühnenreife Abgänge.“ Bond
schaute sich aufmerksam um, doch nichts schien auf verkleidete Helfer von Gus
hinzudeuten. „Sie können ihre Waffe ruhig stecken lassen, Mr. Bond. Ich bin
unbewaffnet und allein. Nicht sie verlassen die Bühne, sondern ich. Die Agentur
ist ausgebrannt und ausgehoben, A. R. Gus ist hiermit tot.“ Gus zog sich die
Maske vom Kopf und warf sie auf den Boden. Der britische Agent konnte noch das
entschlossene Gesicht des etwa dreißigjährigen Mannes erkennen, bevor plötzlich
aufstiebender, heller Rauch ihm die Sicht nahm. Als sich dieser wieder verzogen
hatte, war Gus spurlos verschwunden.
"Wer ist schon Bond im Vergleich zu Kronsteen?!"

Kronsteen

James Bond Club Deutschland - SPECTRE Nr. 005

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Samstag, 25. Mai 2013, 22:05

Epilog





Brief an Mr. Fleming, Grand Hotel, Florenz




Ich möchte sie zu dem glücklichen Ausgang ihrer Mission
beglückwünschen, sowie ihnen gleichzeitig mitteilen, dass A. R. Gus aufgrund
ihrer Beschreibung als Gus Hartmann, Sohn des bekannten Industriemagnaten
Wilhelm Hartmann, identifiziert und von der Interpol bei der Ausreise aus
Italien verhaftet werden konnte. Unser ‚lieber’ Freund Falco von der NSA hat
sich bei mir gemeldet und seine Freude darüber zum Ausdruck gebracht, dass sie
die Agentur ausgehoben haben anstatt die Forschungsergebnisse von Masterson für
Königin und Vaterland zu erwerben. Außerdem steht ihnen bald wieder eine Ehrung
ins Haus für alles, was sie für die Vertiefung der anglo-russischen
Zusammenarbeit getan haben. Zu guter Letzt darf ich sie auch noch um drei
Wochen Urlaub bewundern, die ihnen hiermit genehmigt werden. Es ist alles mit
dem SWR abgesprochen. Machen sie sich mit Mrs. Fleming ein paar schöne Tage in
Florenz und gönnen sie sich mit den Uffizien ruhig einmal etwas Kultur.


M




Bond schüttelte lächelnd den Kopf und schaute Anna ihn ihrem
bezaubernden Taftkleid an. „Wer besucht denn schon die Uffizien, wenn auf allen
Straßen Karneval ist?“ Er warf den Brief ins Kaminfeuer, setzte sich eine mit
dezenten Federn geschmückte Augenmaske auf, schlang einen Arm um Anna, küsste
sie und verließ mit ihr das Hotelzimmer.








THE END




BUT




JAMES BOND WILL RETURN




IN




„MASTERMIND“
"Wer ist schon Bond im Vergleich zu Kronsteen?!"