So, der Film wurde am gestrigen Tage zu später Stund' ausgestrahlt, für die Kinder der Nacht gar nächtens wiederholt. Nun meine neue Rezension zu dem Film. Sie beinhaltet auch bereits geäußerte Eindrücke, einige von euch werden sich somit nicht die Mühe machen müssen, darin etwas "Neues" zu finden, da der Text eigentlich eher auf eine Audienz außerhalb der Expertengemeinde des Forums zugeschnitten ist.
"There is no point in living if you can't feel alive" - Der Bond der Dramen, das Kammerspiel, die beiden Damen trennt so viel...
Es vergeht nicht ein einziger Tag, an welchem ich nicht dächte, es täte dem Film besser, er brächte Dalton als Hauptdarsteller mit. Gefühlt ist es der letzte Dalton, gewissermaßen gleichsam der erste Craig - oder aber Brosnan's einziger Ansatz innerhalb der Rolle, den ich wirklich bewundere, auch diesen Mut der Macher, ausgerechnet in den 90er Jahren einen Autorenfilm der Marke Bond entstehen zu lassen.
Doch damit wären wir bereits bei dem Punkt angelangt, wie "gewollt" dieser Film auf viele Zuschauer wirkt, weswegen er mich also dennoch in uneingeschränkter Form überzeugt, erfahren Sie sogleich.
Beginnend in Spanien, Stichwort Schweizer Bankiers, betrachten wir bereits spannende Sequenzen, Sir Robert King und das Geld, genau genommen verstand ich Teile dieser Szenen noch nie, doch dass sie in irgendeiner Weise mit der Entführung in Zusammenhang stehen sollen, ist auch mir nicht entgangen. Erklingend in grandioser Frank-Glaubrecht-Synchronisation, hören wir bereits erste Sprüche von Bond, leicht ironisch, aber weitaus weniger übertrieben als etwa in "Goldeneye". Das der Überschrift entsprechende Lebenszitat stammt von der Tochter von Robert King, sie ist - Spoilerwarnung - gewissermaßen der einzige Hauptvillain im Bonduniversum, der wahrlich weibliche Züge annimmt, neben Robert Davi der vielleicht beste Gegenspieler. Eine äußerst lange Pre title sequence ist es, die den Film bereits anfangs im Bezug auf den Aufbau einer komplexen Geschichte auszeichnet. Dass Dalton besser in dieses Bild gepasst hätte, erwähnte ich bereits, zumindest aber hören wir zwischenzeitlich seine Synchronstimme. So stilsicher trotz aller Dialogbrillanz auch die Action umgesetzt wurde, so gewillt war man dann wohl auch, diesen 1999er Film im Jahre 2000 als Videospiel zu veröffentlichen, dieses ist jedoch höllengleich unangenehm da sehr schwer, ich genoss vor etwa zehn Jahren die PSone-Version und bin bis heute mit der Erstmission überfordert, insbesondere jedoch mit dem ebenfalls recht früh folgenden Ski-Part. Brosnan wirkt in diesem Bondfilm sicherer und souveräner, sich seiner Rolle bewusst seiend, nur scheint er wie so oft derart viel Ehrfurcht vor der ihm gebührenden und aufgetragenen, gar zugedachten Aufgabe zu haben, dass er außerhalb der Bondwelt oftmals "bondiger" wirkt. Selbst unterhalb der Wasseroberfläche richtet er sich die Krawatte, ob man dies nun belustigend oder eher deplatziert findet, bleibt ganz allein dem Zuschauer überlassen. Renard, gewissermaßen der Verehrer des weiblichen Zaubers innerhalb des Films, wirkt stellenweise eher jämmerlich denn bedrohlich, zwischenzeitlich kann er einem leidtun, "Kannst du das fühlen?, ich spreche von Lust und Begehren", ist da etwa eine der markanten Stellen, an welchen wir wieder das Verletzliche in ihm erkennen, nachdem der Teufel in Person sein Gift versprühte. Von dem "tatsächlichen" Bösewicht, nämlich la Marceau, wird Bond - in ähnlicher Weise wie in Skyfall von Silva - dezent/leicht/ansatzweise sexuell belästigt, beide Filme haben unzählige Gemeinsamkeiten, die hier aber in Form einer Aufzählung den textlichen Rahmen sprengen würden. Oftmals wird dieses Juwel von einem Film als episodenhaft wahrgenommen, ich persönlich teile diese Meinung nur bedingt und in begrenztem Maße, empfand es tendenziell eher anders. Der philosophische Titel des Films, ist auf einen alten Leitspruch von Bonds Familie zurückzuführen, erfahren können Sie dies in "Im Geheimdienst Ihrer Majestät". Doch schlagen wir die Brücke erneut in Richtung des anfänglichen Beginns, denn bereits hier - erstmals sehen wir sie - beobachten wir Marceau in einem düsteren Zusammenhang, gar ausgerechnet bei einer Beerdigung begegnen wir ihrer dunklen Figur zum ersten Male, Zufall oder eher eine indirekte Anspielung auf ihr lebensfernes Wesen?
Nun, verabschieden wir uns einen Moment von Marceau und gehen auf die Tatsache ein, dass dieser dramatisch-düstere Bond auch ein paar warme Seiten an den Tag legt, so wäre da etwa der herzliche Abschied von Q, mündend in die Einführung von R, John konnte der Rolle jedoch nie gänzlich seinen Stempel aufdrücken.
Als Fahrzeug erhält Bond einen BMW Z8, vermutlich mit Fünfliter-V8, 400 Pferdestärken habend und dem E39er M5 entsprechend. Doch das war es fast schon, was das "Vergnügen" anbelangt. Die Unannehmlichkeiten nahen, werden mit jeder Marceau-Begegnung untragbarer. Theatralische Rollen wie diese, scheinen bei ihr meist von Judith Brandt synchronisiert zu werden, die warme Klangfarbe von Irina Wanka wird wohl tendenziell eher in Sophie's "süßlicheren" Rollen eingesetzt, ein Punkt den ich einst schon anderswo zur Erwähnung brachte. Es geht in diesem Film um Vertrauen und Furcht, M wird bitter von Marceau enttäuscht, vertraute ihr, doch sie manipuliert alles und jeden, so auch M, ihr Schauspiel elektrisiert einen regelrecht. Bonds Ego wegen, so sagt es M zu Marceau, würde sie ihm nie offenbaren dass er auf seinem beruflichen Gebiet der Beste sei, doch dass dem so ist, werden wir auch in diesem Film sehen - gleichwohl er aus privaten Gründen innerlich angeschlagen ist. Marceau's Figur ist in vielerlei Hinsicht psychisch instabil, ihre Ängste werden daher in einen kompensatorischen Kontext gesetzt, was sich in ihrer Macht über die Männer widerspiegelt, die Dominanz ihrerseits kennt keine natürlichen Grenzen. Was die Geschichte bezüglich Renard anbelangt, Sie wissen schon, die Kugel im Kopfe, welche ihm unbegrenzte Belastbarkeit schenkt, aber eines Tages tödlich sein wird, so fragte ich mich einst, ob dergleichen überhaupt möglich sei? Wohl nicht gegenwärtig oder in naher Zukunft, aber ob eines Tages wirklich mithilfe eines kleinen Etwas an einer bestimmten Stelle, der Mensch "positiv" beeinflusst werden wird? Hat der Film etwas Unvorstellbares vorhergesagt, oder ist es schlicht und ergreifend gigantischer Unfug? Ich habe keinen blassen Schimmer. Sehr schön sind in dem Film auch die Skiszenen, solche gab es bereits schon lange nicht mehr, doch WARUM fahren sie Ski? "Dann hoffe ich dass Sie Ski fahren können, Mister Bond", weswegen genau sagt sie ihm das? Nun, ignorieren wir die Logik des Drehbuches und betrachten die winterlichen Szenen, erste Annäherungen zwischen Marceau und Bond, später räkelt sie sich so sehr, als sei es eine Göttin höchstpersönlich, die zu Bett ging. Aufgrund der eher privaten Geschichte, rückt der Effekt, dass ein Bondfilm immer auch ein politisches Zeitdokument ist, ein wenig in den Hintergrund, dennoch hat die Erzählung immer noch Politcharakter. In Aserbaidschan (Pipeline) sehen wir Marceau anfangs in einem kerzenbeleuchteten Raume des Glaubens, was ihren zuvor beschriebenen Göttlichkeitscharakter nur noch verstärkt und bekräftigt, doch ihre Größe wird nur noch von der Deutlichkeit ihrer inneren Dämonen übertroffen und erweitert. Durch den bereits unlängst thematisierten Satz "Wenn man nicht fühlt dass man lebt, wird das Leben sinnlos", erkennt Bond die Verbindung zwischen Renard und Marceau, ihm geht ein Licht auf, wir hören in seinem Moment der Eingebung lustigerweise ein ähnliches Erfolgsgeräusch, wie in den Rätselparts von "The legend of Zelda". Marceau überschwemmt uns geradezu mit theatralisch hochtrabend formulierten Anspielungen auf ihr Familienerbe, ihre Vorfahren, ..."für die Welt" sei es, so sagt sie doch gar. Der ambitionierteste 90er Bond überhaupt, die Brosnan-Ära am (bedauerlicherweise einzigen) Höhepunkt. Das weihnachtliche Ende des Films, ist nicht sehr mutig gestaltet worden, stellt aber einen Kontrast zum Hauptwerk dar. Denise Richards als Atomwissenschaftlerin zu besetzen, war wohl eine ähnliche Entscheidung wie 2003 Heidi Klum für die Rolle der Frau Dr. Nadanova in "Alles oder Nichts" zu engagieren, mehr möchte ich zu diesem Punkt nicht sagen, man muss ihn nicht zwangsläufig negativ auffassen. Der Score des Films ist stellenweise wie von Trauer durchflutet, ergänzt wird er perfekt, indem auch der eigentliche Titelsong in dieses triste Bild passt. Michael A., der Regisseur, wollte unbedingt einen Meilenstein ins Leben rufen, etwas Großes erschaffen. Bemüht durchaus, aber es hat sich gelohnt. Bond verliebt sich ernsthaft, ergibt sich seiner eigenen Schwäche, der dramatische Moment von Marceau's Beseitigung durch einen gezielten Schuss, ist enorm bitter für ihn - und doch vonnöten, so schwer es auch anmuten mag ihn zu verkraften.
Weitere Momente des Düsteren, offenbaren sich in der feuergleichen Hölle von Renard, in Verbindung mit der Martin-Kessler-Stimme, wirken Sätze wie "Er hat die Glaubensprüfung nicht bestanden" und "Willkommen im Atem des Teufels" nicht lächerlich, sondern sehr passend und sakral, in der Pracht des Feuers verbirgt sich Gefahr, in der sektenartigen Umgebung großes Unheil. Marceau's Kälte wird mehrfach mithilfe von Eiswürfeln symbolisiert, eisiger als selbige Gegenstände es sind, ist nur noch der Kern ihrer selbst, das Innenleben von Sophie Marceau. Ist es ein Verbrechen sich in sie zu verlieben, oder wäre es eher sonderbar ihr nicht zu verfallen, ihr somit zu widerstehen gewillt zu sein? Letzteres träfe wohl zu, ersteres mitnichten!
Mit "Die Welt ist nicht genug" erschien vor nunmehr 17 Jahren einer der intensivsten Bondfilme überhaupt, einer von jenen, über welche man auch wirklich in umfangreichem Maße diskutieren kann, ohne dabei interpretatorische Grenzen gesetzt zu bekommen.
So, das war's. Viel Spaß beim Diskutieren.