Reflexionen zu einem der wichtigsten Bücher zum Thema Bond aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum:
»The battle for Bond« von Robert Sellers in der erschienen Erstauflage
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Wer sich als Bondfan schon immer für die Mysterien um die Entstehung von "Feuerball" interessierte, hatte bisher wenige Möglichkeiten Genaueres in Erfahrung zu bringen.
Mit der Veröffentlichung des englischsprachigen Buches „The battle for Bond“ ist jetzt das ultimative Werk hinsichtlich dieser sehr komplexen und verworrenen Thematik auf den Markt gekommen. Auf rund 260 Seiten gelingt es dem renommierten Autoren Robert Sellers Licht ins Dunkel der Geschichte zu bringen und akribisch anhand von Gerichtsunterlagen die bisher „unerzählte“ Entstehungsgeschichte von "Feuerball" quasi von der Geburt bis zur Bahre mit all ihren rechtlichen Auswirkungen bis in die heutige Zeit für den Leser gedanklich nachvollziehbar aufzubereiten. Zusätzlich geht Sellers auch auf die Arbeit am Siebziger Jahre »Warhead«-Drehbuch ein, sowie auf Probleme und Produktionsanekdoten zu "Sag niemals nie". Abschließende Informationen zu weiteren jahrelang geführten Prozessen bezüglich der Rechte sowie Geschichten über den irischen Produzenten Kevin McClory schließen das Werk auf den rund letzten 40 Seiten ab. Zahlreiche Fotos, Storyboard-Zeichnungen, sowie abgedruckte Memos und Telegramme, die vor Gericht als Beweismaterial dienten, runden den grandiosen Gesamteindruck dieses für Insiderfans produzierten Buches ab. Ein besonderes Highlight stellen beispielsweise sieben bisher unbekannte Storyboard-Entwürfe von John Hustons Art-Director Stephen Grimes zu einer 59er »Feuerball«-Studie dar. Die Entstehung dieses umfangreichen Buches war überhaupt erst möglich durch die Einsicht und Nutzung der damaligen juristischen Unterlagen, die sich im Besitz Sylvan Whittingham Mason, der Tochter Jack Whittinghams befanden, der als erster Autor ein Drehbuch für einen James Bond-Kinofilm Ende der Fünfziger verfasst hatte. Aus diesem Grund widmet Robert Sellers einige Teile auch der Familie Whittingham und übernimmt unkommentiert Eindrückeund Aussagen der Erben mit ins Buch auf.
Die am Ursprungsprojekt weiteren beteiligten Akteure, Ivar Felix C. Bryce und Ian Lancaster Fleming sowie der aus Irland stammende Kevin McClory konnten nicht mehr interviewt werden. Sellers sich ergebenden Erkenntnisse hinsichtlich der Abläufe in der Entwicklung des damaligen Drehbuchs von »Feuerball« und den sich daraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten macht der Autor in erster Linie an den Korrespondenz-Unterlagen, die vor Gericht Bestand hatten, fest. Dabei bekommt Sellers für sich den Eindruck, dass sowohl Ian Fleming als auch Ivar Bryce den von ihnen für das Projekt beauftragten Kevin McClory, der zu dem Zeitpunkt Bryces Partner der Filmgesellschaft Xanadu-Productions war, nach einer gewissen Entwicklungsphase bewusst versucht haben außen vor zu lassen und zu betrügen. In der Hoffnung den rund eine Generation jüngeren Iren billig abzufertigen, mussten die beiden am Ende feststellen, dass McClory nicht vor den horrenden Kosten eines Prozesseszurückscheute und den späteren Gang vors Gericht suchte. So kam laut Sellers unter anderem heraus, dass Fleming beispielsweise hinter McClorys Rücken Verhandlungen mit der amerikanischen Verleihgesellschaft MCA geführt hatte, während der Ire bei anderen Verleihern als einziger Beauftragter des Projektes versucht hatte, dieses an den Mann zu bringen ohne von Flemings rechtswidrigen Vorstoß informiert gewesen zu sein. Andere Quellen weisen darauf hin, dass Fleming bei einem persönlichen Treffen mit McClory diesen sehr wohl über seine Verhandlungen mit MCA seiner Zeit informiert hätte. Da dieser Vorgang in schriftlicher Form in den Gerichtsunterlagen nicht existiert, sind solche Aspekte in Robert Sellers Schlussfolgerungen auch nicht enthalten, so dass zahlreiche schwerwiegende Vorwürfe, die der Autor in seinem Buch »The Battle for Bond« gegenüber Ivar Bryce, Ian Fleming und dessen Buch-Verlag ausspricht, mit gemischten Gefühlen zu (be)werten sind.
Ein großes Problem bei solchen historisch zurückliegenden Vorgängen ist, dass es eine ultimative Wahrheit in solchen Belangen nicht gibt. Eine Erklärung warum McClory beispielsweise während der Entwicklung des Feuerball-Projektes auf einmal das Vertrauen von Fleming entzogen bekam, bleibt der Autor schuldig. Die Aussage, dass McClorys Film »The boy and the bridge« hinter kommerziell gesteckten Erwartungen an der Kinokasse weit zurück blieb, ist im Berufsalltag noch kein gerechtfertigter Grund jemanden unausgesprochen aus einem Projekt zu stoßen und für (so) dumm zu verkaufen, wie dies die weitere Geschichte zwischen den Beteiligten aufzeigte. McClory aus dem Projekt zu entlassen und auszubezahlen hätte kaum ein unlösbares Thema für Bryce sein dürfen. Wenn aber die Beteiligten aufgrund überhöhter Geldforderungen von einer Seite sich nicht einig geworden wären, sähe dieser Fall dann anders aus. Davon kann Sellers aber nicht berichten. Trotz alledem ist Robert Sellers ein großartiges Buch gelungen.
Einige reißerische Bemerkungen, die das Buch beinhaltet, erweisen sich schon mal als Luftschlösser. Der marktschreierisch aufgemachte Satz „Kinogeschichte wäre anders verlaufen, wenn 1962 nicht »Dr. No« mit Sean Connery in der Hauptrolle in die Lichtspielhäuser gekommen wäre, sondern Alfred Hitchcock drei Jahre vorher »Feuerball« mit Richard Burton in der Hauptrolle inszeniert hätte“ ist ein sehr schönes Beispiel dafür. Hitchcocks damals aktuell angelaufener Film-Hit »Der unsichtbare Dritte« erschien der Laien-Arbeitsgruppe um Fleming und Co. als ultimativer Garant für einen anstehenden James Bond-Film, aber mehr als ein zaghafter Gesprächskontakt wurde nicht wirklich in die Wege geleitet. Stellt man sich für einen Augenblick den Film als Hitchcocks Arbeit vor, dürften bestimmte charakteristische Merkmale zu erwarten gewesen sein:
Zahlreiche Studioaufnahmen, da der Regisseur Aufnahmen vor Ort hasste. Die berühmte unterkühlte Blondine, Musik von Bernhard Herrmann sowie ein grafischer Saul Bass-Titel wären wahrscheinlich Pflicht gewesen. Der klassische Über-Held entsprang dagegen nicht gerade Hitchcocks Werken, sondern eher der unschuldig Verfolgte, der über sich hinaus wachsen muss, stellte den Schulterschluss für zahlreiche männliche Hauptrollen in seinen Filmen dar. Gewalt und Sexualität wurden von Hitchcock im Gegensatz zu den Eon-Bondfilmen anders gewertet und in Szene gesetzt. Sein Faible, Mordszenen wie scheinbare Liebesszenen zu inszenieren und erotische Momente oft mit bedrohlichen Unterton zu kreieren, waren ein ähnliches Markenzeichen wie sein Hang, mit der Erwartungshaltung der Zuschauer zu spielen und diese dauernd in die Irre zu führen. Das gradlinige Schema der heute bekannten Bondfilme hätte dem Meister des Suspense wohl wenig Vergnügen bereitet. Das menschliche perfide Drama im Kleinen war sein Sujet.
Der erwähnte Schauspieler Richard Burton spielte 1959 die Hauptrolle des Jimmy Porter in der Bühnenverfilmung von
»Blick zurück im Zorn«. Produziert wurde der Film übrigens von Harry Saltzman. Witziger Weise hatte der Schauspieler Laurence Harvey diese Rolle vorher lange am Theater gespielt und wurde von McClory, als dieservom Gericht die Filmrechte zu »Feuerball« zugesprochen bekommen hatte, Anfang 1964 ernsthaft als Bond-Darsteller in Betracht gezogen. Da Harvey in zahlreichen Filmrollen vom Publikum jedoch als menschlich gefühlskalt gesehen wurde, ließ McClory von ihm ab und wollte mit Richard Burton ins Geschäft kommen. Das daraus nichts wurde und der Waliser stattdessen 1966 schauspielerisch grandios in der Romanverfilmung von John le Carrés »Der Spion, der aus der Kälte kam« punktete, hat die Geschichte gezeigt und ist eine der vielen Aspekte in Robert Sellers Buch.
Bei der Fülle an Informationen, die dieses großartige Buch trotz einiger Widersprüche mit sich bringt, wünscht man sich als Fan eigentlich noch eine Aufarbeitung des Buches durch Robert Sellers hinsichtlich fehlender Informationen über Dean Devlins und Roland Emmerichs Arbeit an dem SONY-Projekt aus den Neunziger hinsichtlich einer dritten Adaption zu »Feuerball«. »The battle for Bond« ist ein Muss für jeden Hardcore-Bondfan, der des Englischen mächtig ist und sich nicht davor scheut, den Umfang dieser in vielen zahlreichen Einzelheiten ausgearbeiteten Thematik durchzuarbeiten.
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