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DrShatterhand

Ministerium für kulturelle und intellektuelle Tiefschläge

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Freitag, 15. April 2022, 17:25

On Her Majesty´s Secret Service - Roman und Comic

Diesmal hat es wirklich Ewigkeiten gedauert, bis ich Roman und Comic zu OHMSS lesen und vergleichen konnte. Jetzt kann ich meine Ergebnisse aber endlich einstellen.

Im Jahre 1963 erschien der Roman "On Her Majesty´s Secret Service", der zu den besten Bond-Romanen gezählt wird, bei manchen sogar als der beste gilt. Ich behaupte, daß die Comicschreiber ähnlich dachten und sich deshalb mit Änderungen durchaus zurückhielten. Er geht im "James Bond Omnibus Vol. 2" über 70 Seiten zu je vier Panels; er bietet der Verarbeitung des Romans also viel Platz.

Der Roman beginnt wie einige andere vor ihm mit einem "J. J. Abrams"-Start. Bond befindet sich in Royale-Les-Eaux und beobachtet eine Frau, von der er glaubt, daß sie in Gefahr ist. Bond selber wird von zwei Männern beobachtet, und als Bond und die Männer sehen, daß die Frau ins Meer geht, setzen sich alle in Bewegung. Bei der Frau handelt es sich um Tracy; Bond kann sie aufhalten. Die beiden Männer sind bewaffnet und fordern Bond auf, sich nicht zu rühren. Beizeiten kommt ein Boot, das Bond, Tracy und die beiden Männer aufnimmt.

Danach gehen wir 24 Stunden zurück. Bond ist in seinem Auto unterwegs und formuliert sein Rücktrittsgesuch an M. Plötzlich rauscht ein weißer Lancia an ihm vorbei, den eine Frau fährt. Bond verfolgt sie, verliert sie aber.

Diese Sequenz nutzen die Comicschreiber für ihren Einstieg, der clever gewählt ist! Sie nutzen ein Ereignis, das Bond in seinem Rücktrittsgesuch erwähnt: Er sucht einen Mann namens Blauenfelder auf, den er für Blofeld unter falschem Namen hält. Blauenfelder entpuppt sich jedoch als ein Weinexperte, der unter dem Schutz der Mafia agiert. Bond wird auch gleich von Mafiosi verfolgt, und er muss frustriert den Rückzug antreten.

Bei der Darstellung der Mafiosi gehen die Comicschreiber durchaus klischeehaft vor. Alle Mafiosi sind unrasiert und haben Zigaretten im Mund.

Während für gewöhnlich Dinge in den Comics ausgelassen oder gekürzt werden, machen sich die Comicschreiber hier allerdings die Mühe, Dinge auszuweiten bzw. mehr in den Vordergrund zu holen. In diesem Fall betrifft das Blofeld und Irma Bunt
- Blofeld plant im Roman aktiv und bewusst einen Unfall für Bond, sobald dieser seinen Dienst getan hat.
- Nach der Zerstörung des Piz Gloria sehen wir im Comic, daß Bunt Bond in München bemerkt und verfolgt und später Kontakt mit Blofeld aufnimmt.
- Bunt tarnt sich als Klatschreporterin und fragt im britischen Konsulat nach Details zu Bonds Heirat.
- Die Verfolgung Bonds und Tracys durch Blofeld und Bunt und Tracys Ermordung werden im Comic ebenfalls ausgeweitet.

Woran die Comicschreiber heutzutage nicht mehr vorbeikommen, sind die Bilder, die man im Kopf hat, wenn man den Film kennt und schätzt. Tracy ist nicht Diana Rigg, und es ist schwer für die Zeichner, die im Kopf festgesetzten Bilder mit ihren Darstellungen der Charaktere zu überlagern. Gleiches gilt für Blofeld, den der Zeichner romangetreu darstellt, aber bei mir erscheint sofort Telly Savalas vor dem geistigen Auge.

Im Verlauf des Comics nutzt der "Daily Express", in dem die Comics damals erschienen, die Möglichkeit, für sich Werbung zu machen. Tracy gibt Bond darin eine Zeitung, die sich als eine Ausgabe des "Daily Express" entpuppt. Im Roman gibt sie Bond eine Ausgabe der "Welt".

Natürlich wird der Roman von Continuity-Elementen durchzogen, allen voran von Blofeld, der in "Thunderball" zuerst erschien. SPECTRE wird ebenso erwähnt wie die NATO, und auch auf Blofelds Erpressungsversuch mit den beiden Atombomben wird eingegangen. Ein Bezug auf "Casino Royale" wird genommen, als sich Bond in Royale-Les-Eaux an sein Kartenspiel gegen Le Chiffre erinnert. Loelia Ponsonby ist nicht mehr Bonds Sekretärin; sie ist nun verheiratet. An ihrer Stelle sitzt nun Mary Goodnight, deren Aussehen ohne viel Federlesens beschrieben wird: "blue-black hair, blue eyes, figures 37-22-35".

Bofelds Alter wird im Roman mit 54 Jahren angegeben, was auch passt. Blofelds Geburtsjahr war 1908, und der Roman wurde Ende 1962 geschrieben.

Weniger ein Continuity-Element, aber ein weiterer Blick in die 00-Abteilung: Es gibt einen Agenten 006, bei dem es sich um einen ehemaligen Royal Marine Commando handelt.

Die Konzentration aufs "Wesentliche" bei den Frauenfiguren setzt sich fort, als Bond im Piz Gloria auf Blofelds Todesengel trifft. Bond fallen auf: "splendid, sweated young bosoms"; "a gorgeous blonde".

Was den Roman ebenfalls durchzieht, sind Referenzen an geschichtliche Ereignisse, die bei mir immer danach schreien, mal genauer untersucht zu werden, denn ich möchte sehen, wie akkurat Fleming bei ihrer Einflechtung war. So wird die Tranby-Croft-Affäre erwähnt, in die anscheinend auch König Edward VII verwickelt war. Dabei ging es um ein Baccarat-Spiel, bei dem ein Spieler mehrfach falsch gespielt haben soll. Bei dem Spiel war tatsächlich der Prince of Wales dabei, der zu dem Zeitpunkt aber noch nicht König war (kleine Abweichung also).

Im Verlauf des Romans wird auch die Entführung Adolf Eichmanns nach Israel erwähnt. Sie dient quasi als Vergleich zu der Idee, Blofeld aus der Schweiz herauszulocken, um ihn dann zu entführen und nach England zu bringen.

Ein zur Entstehungszeit des Romans frisches Ereignis war das U2-Fiasko. Ende Oktober 1962 verirrte sich ein US-amerikanisches Spionageflugzeug auf dem Höhepunkt der Kuba-Krise tief in den sowjetischen Luftraum.

Spät im Roman geht Fleming darauf ein, daß das Deuxieme Bureau seinen Namen geändert hatte und zur Section Defense Territoriale wurde. Dazu kann ich allerdings nichts finden.

Beim Lesen der Zeitung, die Tracy Bond gibt, nimmt Bond auch Schlagzeilen wahr, die "inevitably on Berlin" sind. Im ersten Jahr nach dem Mauerbau richteten sich viele Blicke nach Berlin, aber ganz konkrete Ereignisse des Jahres 1962 konnte ich nicht ausmachen.

Als Adresse des College of Arms wird "Queen Victoria Street at the fringe of the City" angegeben. Ich gehe davon aus, daß das damals tatsächlich die Adresse des College war. Inzwischen ist es in der Forest Road in London beheimatet.

Und sonst? Aktuelles Zeitgeschehen holt den Roman zwischendurch ein. Die Vorbereitungen Bonds für ein Treffen mit Blofeld laufen unter einem neuen Operationsnamen; die Operation "Bedlam" wird beendet, und die neue Operation trägt den Namen "Corona".

Gegen Ende des Romans fällt der Satz, der mit OHMSS verbunden ist. Bond sagt im Hotel in München zu Tracy: "We´ve got all the time in the world (to talk about love)". Während der Autofahrt nach der Hochzeit sagt er ihn nochmal.

Etwas früher sagt er auch etwas zu Tracy, womit er heute wohl weniger ungeschoren davonkäme: " ... I´ll take you down and buy you a drink. Just one. And three for me. That´s the right ratio between men and women."

Die Romantreue, die die Comicmacher hier zeigen, geht einmal eher seltsame Wege. Die Adresse des Schweizer Rechtsanwalts ist offensichtlich nicht komplett: "Advokaten, 16 bis, Bahnhofstrasse, Zürich". Sie wird jedoch so in den Comic übernommen.

Ein anderer Satz aus dem Roman schafft es letztlich auch in den fertigen Film. Nachdem Bond auf seiner Flucht die Wache an der Rezeption erledigt hat, klingelt das Telefon. Bond nimmt den Hörer ab, meldet sich und hört: "Wir kommen für den Engländer in zehn Minuten." Ein perfekter englischer Satz mit deutschen Worten drauf.

Heraus kommt letzten Endes ein Comic, der sich sehr an der Romanvorlage orientiert und, wie man hört, durchaus als Storyboard für den Film herhalten konnte. In der Tat fehlen nur wenige Teile des Romans (Bonds Begegnung mit Griffin Or; Bonds Brief an Sable Basilisk), und einige sind logischerweise "eingedampft" (bspw. das Gespräch zwischen Bond, M und anderen Regierungsvertretern). Auf der anderen Seite hat man diesmal Blofelds Rolle als Bösewicht unterstrichen, indem man mehrere seiner Pläne und Taten mehr in den Vordergrund rückte. Zusätzlich sind sogar mehrfach Formulierungen aus dem Roman unverändert in den Comic übernommen worden. Ich kann da echt nicht meckern - eine wunderbare Umsetzung.
The needs of the many outweigh the needs of the few or the one.
I have been and always shall be your friend.
I´ve been dead before.
Live long and prosper.

He is not really dead as long as we remember him.