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  • »Daniel Schweikert 1996« ist männlich

Beiträge: 1 871

Registrierungsdatum: 18. Februar 2014

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861

Freitag, 14. April 2017, 18:08

"Das süße Jenseits" - unser geschätzter Dr. Move ist ja ein bekennender Egoyan-Fan, weitere Werke seines Filmuniversums, welche ich bedenkenlos empfehle, sind u.a. "The Adjuster", "Chloe" uvm.
Text enthält Spoiler

„We are all citizens of a different
town now, … strange and new“, kalt wie ein Wintermond, die Angst
sie uns innewohnt


Vor 20 Jahren, so die sich bewahrheitet
habende Legende, sollte es geschehen: es entstand „Das süße
Jenseits“, hierbei handelt es sich nun um meine persönliche
jubiläumsbedingte Ehrerbietung, den Beitrag zu einem
formvollendeten, zwischen 12/95 und dem 29.11.97 spielenden
Meisterwerk, dessen Qualität nicht in Worte zu fassen ist, ein
makelloserer Film ist mir noch nie zuvor begegnet.

Ich verwende als Schreibplattform die
Veröffentlichung des Buches, da alle einzelnen Filmbereiche
ebendiesen Werkes bereits von und mit Beiträgen meinerseits belegt
sind, ich bitte um Verständnis...


Beginnend in magisch-mysteriöser
Dunkelheit, ähnlich geheimnisvoll wie im Jahre 1994 in Exotica, hier
nun jedoch leichte Winde im Hintergrunde zu vernehmen, die Flöte sie
singt ihr fabelhaftes, in den hübsch gestalteten Rahmen einer
Märchenerzählung passendes Volkslied innerer Idylle. In trauter
Dreisamkeit nun die junge Familie des Mitchell Stephens zu erblicken,
die Ehegattin und das im Gesichtsausdrucke ein wenig an Altmeister
Roman Polanski erinnernde Töchterlein, dessen konzentrierter Blick
in nicht allzu ferner, bereits spürbarer Bälde noch eine tragende
Rolle wird spielen dürfen. Die Tochter nun, wir schreiben wieder ein
gegenwärtiges Jahr, bei den dem Rauschgifte nicht abgeneigt seienden
Leuten stehend, in aktueller zivilisatorisch besetzter Welt, oh welch
Kontrastbilde zum betagten Vater im Wagen, zwar ebenfalls von engem
Raume umgeben, sich jedoch in bedeutend einsameren Regionen
aufhaltend, die disfunktionalen Kommunikationskomplikationen in der
von komplexen Zusammenhängen und erschreckenden Rissen geprägten
Beziehung zwischen ungesunder Tochter und besorgtem anwaltlichen
Vater, erschüttern uns zutiefst. Sarah Polley in dieser ihrer
innigsten Rolle der Nicole nun eine Ballade erklingen lassend, der
Vater, wie er zu Beginn eher als eine Art „Weggefährte“/“Freund“
portraitiert wird, wohnt dieser eines öffentlichen Anlasses wegen
erfolgenden Probe für eine Aufführung, ein Konzert, scheinbar
verständnisvoll, im Kerne jedoch von keinerlei Sympathiefaktoren
geprägt, bei, bewundert in ihr die vielleicht falschen Aspekte,
anstatt sie wirklich ihrer Darbietungen wegen zu lieben, begrüßt er
lediglich die Unschuld in ihr. Im Hintergrunde wir die Bilder ihres
Antlitz' sehend, sie in pittoresk-malerischem Lichte engelsgleicher
Wunder erstrahlen lassend, zudem untermalt von einem sich in dieser
Form wiederholenden, geradezu hypnotischen Score von Mychael Danna.
So oft nun unterstützt der Klang den alsbald zu erfolgen drohenden
Zeitwechsel, wie er uns jederzeit packen, betören kann, im Positiven
wie im Negativen zu überwältigen vermag.

Das Minutenbild der Momentaufnahmen
beizeiten so kristallklar im seelischen Zerfalle und Ertragenmüssen
von Qualen, dabei niemals geradlinig, sondern stets eine
bemerkenswerte Mixtur dessen, was einstmals geschah, sich gegenwärtig
zuträgt und künftighin Gestalt annehmen wird.

Das Riesenrad des Rummelplatzes, das
gemeinsame Zu-sich-Nehmen einer Erfrischung aus leck'rem Eis, die aus
den aus dem Bus steigenden Kindern bestehende, auf Neudeutsch,
Community, jawohl, noch scheint alles scheinbar unbeschwerter
Schwerelosigkeit innerer Wunder zu unterliegen, zusammen begrüßen
Nicole und Sam die noch existierende, in Bälde in Welten gespaltene
Gruppe. Das Hotel der Walkers ist es, welches von Stephens zuerst
aufgesucht wird, ehe die Besuche eine kaum mehr zu überblickende
Zahl ihr Eigen nennen werden. Der Anwalt dringt mit überzeugenden
Vorträgen in die Psyche der schwer traumatisierten Eltern ein, stets
einen Notizblock bei sich habend, um pflichtgetreu alles
festzuhalten. Fast einem Prediger gleichend, widmet er sich geradezu
fanatisch seiner ihm von ihm selbst zugedachten Aufgabe, um letzten
Endes doch nur von dem gewaltigen Umfange der Unannehmlichkeiten
seines eigenen Schicksals zu fliehen. Mr. Walker versucht über jeden
seiner Mitmenschen ein negatives Urteil ins Leben zu rufen, einzig'
bei den künstlerisch veranlagten Otto's, dem sympathischen Paar
wunderschönen Hauses, wie wir es später werden erblicken dürfen,
scheint ihm die Herbeiführung von Kritik nicht so recht zu gelingen.
Lediglich ihr „They are smart, ...went to college“ scheint ihn zu
stören, als seien nur Akademiker des Wissens Träger, so ist dem
nämlich mitnichten. Stephens' Telefonat mit der den Drogen nicht
Adieu sagenden Tochter, wird, es kommt noch zu mehreren weiteren
Gesprächen, während der Walker-Besprechung seine Entstehung finden
lassen, zur selben Zeit diskutiert das Paar und wir erleben, zwei
Zweier-Debatten folgend, unheimlich viel Gesprächsdynamik auf
einmal, geschickt eingefangen von Egoyan, ...auch noch tatsächlich
beiden Unterhaltungen folgen zu können. Alison erweist sich, hier
schreiben wir nun wieder das eigentliche Filmjahr, nämlich 1997, als
eine begnadete Zuhörerin, geradezu der Rolle einer Art Therapeutin
gerecht werdend, alles strömt nun regelrecht aus seiner Seele
heraus, tritt sich angestaut habend nachträglich hervor, nur und
ausschließlich hier, erleben wir ihn ganz und gar als jenen
Menschen, dessen Wesen auch jenseits des anwaltlichen Daseins lebt,
atmet, spürt und fühlt, gar empfindet. Die anwaltliche Rolle und
Aufgabe nun also szenenweise abgelegt und beiseite geschafft, jene
Berufung, welcher er sich seiner geschickten Rhetorik wegen einstmals
verschrieben hat. Nun besuchen wir die Ottos, jene im positiven Sinne
die Andersartigkeit zelebrierenden Vertreter fremder Kulturen, zwei
Künstlerseelen im Einklange, passenderweise nun in einer Welt Platz
genommen habend, in welcher die Zeit stillzustehen scheint,
Schneestürme in unserem Herzen ein Wintermärchen erschaffend.
Stephens innerlich so mitfühlend, beruflich dagegen gezwungenermaßen
kühl, im Übrigen ließe sein Herz wohl noch keine Selbstöffnung
innerer Offenbarungen zu. Gabrielle Rose (Dolores) zuvor in weniger
„biederen“ Rollen innerhalb der Egoyan-Filme zu sehen gewesen,
meistert sie nun auch diese neue Aufgabe mit Bravour, u.a. aber auch
David Hamblen, wie er ebenfalls zum Egoyan-erprobten Stammpersonal
gehört, hier nun seine anspruchsvollste Rolle bekleidet, wie sie
auch im Buche so bewegend von Dolores beschrieben worden ist.
Überhaupt hat der Autor besagten Buches die Chance ergriffen und die
Gelegenheit wahrgenommen, im Filme einen kleinen Gastauftritt („her
mind is kind“) zu genießen. In Dolores'/Gabrielle's Haus, erleben
wir nun Bilder von Kindern, auch in diesem Zusammenhang erweist sich
das Werk als ein ähnlich tragisches Trauerspiel wie „Exotica“,
die Formel perfektionierend, prägend den Kunstfilm der 90er Jahre.
Aus einem Helicopter erblicken wir nun den unvergleichlichen Zauber
der Rocky Mountains, Straßen so schneebedeckt in ihrer von
Naturphänomenen überzogenen Pracht zu sehen. Stephens, nun befinden
wir uns wieder im von Trauer durchtränkten Gespräch im Flugzeuge,
kann die Kliniken seiner Tochter kaum mehr zählen, der dunkle Himmel
er entfaltet sich über unseren Herzen, die Kamera gleitet durch ihn
hindurch...

Die Nebelwelten sich aufbauend, die
Kamera fährt durch deren Dunst des Mysteriums, jedes einzelne Haus
scheint meilenweit vom nächsten „Nachbarn“ entfernt zu sein. Die
Otto's alsbald ebenfalls leicht manipulierbar erscheinend trotz
künstlerisch anmutender Individualitätsoffenbarung

, lediglich Nicole und Billy (Bruce
Greenwood, fast so brillant wie in Exotica) lassen sich nicht in die
ihnen widerstrebenden Prozesse und Richtungen lenken. Das hölzern
prachtvolle Haus der Ottos gar mit Instrumenten und wundersamen
Gegenständen, wie sie dezent im Hintergrunde liegen, äußerst
hübsch ausgestattet. „You are angry“, sagt Stephens mehreren
seiner Zuhörer, doch schenket er sich in diesem Moment kaum selbst
Gehör, denn der Zorn muss auch in seiner Wenigkeit leben...

„Angry“ ist hier kein Ausdruck,
Trauer träfe vielmehr das eigentliche Phänomen der gebrochenen
Zauber und Lebensentwürfe. „There is no such thing as the simple
truth … there is no such thing as an accident“ -
Überzeugungskunst so klar im Worte, die Gemeinde zwar spaltend, doch
zu den Ottos kriecht er geradezu vor, fleht selbige regelrecht an,
sie mögen und möchten ihm doch bitte das ihm entgegenzubringende
Vertrauen schenken. Er konfrontiert sein Gegenüber zumeist mit
traumatischen, durch Worte erzeugten Bildern, oft sieht er die Leute
dabei nicht direkt an, spräche gar weiter, wenn keiner mehr als
Zuhörer fungiert, verliert sich gänzlich in der Ich-Perspektive
eines gebrochenen Mannes, dessen Nachwuchs im Extremfalle vor ihm
wird sterben müssen, man bedenke schließlich, dass die in Bälde
bei ihr diagnostiziert worden seiende Krankheit Mitte der 90er Jahre
als Todesgarant wahrgenommen worden ist. Bizarre Komik offenbart sich
dann, wenn er in kindlicher Freud' und Aufregung zu seinem Wagen
rennt und den für den Fall vonnöten seienden Vertrag holt, Ian Holm
rast mit fast 70 Jahren durch die Eiswüste, beeindruckt uns auch
sonst mit überragender Schauspielkunst brillanter Darstellung, doch
für mich persönlich ist eher die erst später häufiger zu sehen
seiende Nicole die wichtigste und zentralere Figur des Films, der
eine so tragende Rolle spielende Engel von einer Hauptprotagonistin,
an sie denke ich im Grunde genommen den gesamten Film über. Die
Affäre zwischen Mrs. Walker und Billy beginnt erst einmal in recht
leichter, da sichtlich unbeschwerter Zweisamkeit eines das Schicksal
teilenden Kurzzeitpaares, später hingegen wird auch diese Bindung
kompliziertere, neue Konturen annehmen.

Nicole öffnet im wahrsten Sinne des
Wortes das „fabelhafte“ Buch, passt auf Billy's Kinder auf, gibt
Acht und erkennt, wie der Sohn eine interessante Frage stellt, all
dieses in einem bildschönen Winterzimmer mit Schrägen, wir blicken
auf direktem Wege in die Bergwelt schneeweißen Zaubers.
Nicole/Polley probiert praktisch für tot geglaubte Kleidungsstücke
der dahingeschlichenen Herzdame seitens Billy an, weder sie noch er
sind sich gänzlich bewusst, was das alles bedeuten mag. Der Vater
von Nicole nun ins Reich der Sünde eindringend, sie dorthin
geleitend, wo sie in ihrer Rolle als Tochter nicht stehen sollte.
Schauspielerisch brillanter Austausch der Blicke, Kontakt nur
physisch spürbar, nicht jedoch in den Innenwelten unserer Herzen. Im
Heue die Kerzen der die Psyche vernichtenden Schauerromantik in ihrer
seelenlosesten, unreinsten, unfreiwilligsten aller Formen.
Unmissverständliche Andeutungen und doch im Buche sowie im Filme
kaum als solche wahrgenommen werdend, wohl auch weil direkt in dem
Anschlusse wieder die Landschaftspracht zu bewundern ist, wir wollen
es nicht wahrhaben und schweigen es in der Stille zu Tode, das
Geschehen als der direkte Kontrast zu den atemberaubenden Orten.
Bildgewaltige Fernaufnahmen im Weitwinkel, jede Kameraeinstellung ein
Werk Gottes und all dies mit vergleichsweise geringem Budget. Wenn
ich mich recht entsinne, schrieb ich einstmals sinngemäß, der Film
sei in bestimmten Hinsichten weniger zeitversetzt, eher geradliniger
als Exotica, das Gegenteil ist im Grunde genommen der Fall, doch die
beiden Meisterwerke nehmen sich nicht sonderlich viel, sondern
ergänzen sich vielmehr, der Zeitwechsel ist ALLGEGENWÄRTIG!
Abermals die ausdrucksstarke Zoe als Kind in die Kamera blickend,
verwundert und fasziniert zugleich, worin läge auch der Unterschied?
Der Gesichtsausdruck so nachdenklich, was genau ist uns das Kind
mitzuteilen gewillt? Greenwood's Figur mag etwas hart und grob
erscheinen, aber ehrlich stünde sie stets zu ihren Gefühlen und
Ansichten, ...Affäre mit Mrs. Walker unter den ihrerseits
vorhandenen Ängsten leidend, Nicole's weitergetragenes Erbe von
Billy's verstorbener Gemahlin, habe in ihren Augen gewissermaßen
Einfluss auf den Unfall gehabt, verzweifelt suchen alle Beteiligten
nach einer Erklärung für diese Tragödie. Die (Stief?-)Mutter
begrüßt die überlebt habende Nicole fast unverschämt-zynisch mit
den merkwürdig betonten Worten: „You are so lucky!“, genau
genommen mag man sich eher fragen, ob ihr Überlebthaben überhaupt
ein Segen ist, allenfalls hilft es ihr dabei, von Sam nicht mehr
allzu sehr begehrt zu werden und falls doch, so zwingt sich dieser
nur zur Zurückhaltung, da er nun auf sie angewiesen ist, ihr
Zeugenwort als finales Hilfsurteil. „Courage“ wird sie nicht nur
benötigen, sondern auch gesanglich wiedergeben, die Gesangsthematik
passt perfekt zur Grundbotschaft des hiermit rezensierten Films. Ihr
neues Prinzessinnen-Zimmer macht, so hofft es wohl aus Sam, aus ihr
wieder eine Art Kind, doch allzu leicht lässt sich eine Nicole nicht
beeinflussen, denn die Erinnerung sie lebt. Sam kann sich seiner
nicht mehr allzu sicher sein, denn anwaltlich betrachtet, benötigt
er auf juristischer Ebene des Töchterleins Hilfsbereitschaft zur
Aussage, bemerkenswert auch wie Stephens Sam ruhigstellt, erst hier
beginnt Nicole, den Anwalt überhaupt ansatzweise zu akzeptieren, es
muss ihr imponiert haben, zu sehen wie Vater der Mund verboten wird.
Nicole erweist sich in zahllosen Zusammenhängen als der Weisheit ihr
Träger, schauspielerisch fast so brillant portraitiert, wie Vanessa
Paradis in „Elisa“, mindestens gleichwertig mit Jordana Brewster
in „Invisible Circus“ und M. Barton in „Lost and Delirious“.
Sam und die Dame an seiner Seite, tauschen im Zuge des Gespräches
mit dem Anwalt, der nur sehr unklar andeutet, wann das Geld denn
käme..., etwas hinterhältig die Blicke aus, ginge es um Nicole oder
doch eher um eine des Geldes wegen entstehende Klage? Alsbald eine so
temperamentvolle nächtliche Begegnung zwischen Stephens und Billy,
selbige muss man höchstpersönlich erlebt haben, auch äußerst
kraftvoll synchronisiert von Oliver Stritzel. Wie Sie sicher
bemerken, sehe ich mich genötigt recht häufig zwischen den Zeiten
und Charakteren hin- und her zu wechseln, das resultiert wohl aus
meinem Bestreben, mich dem Filme ein Stück weit anzupassen, um
dessen stimmungsvolle Atmosphäre zu betonen und zu unterstreichen,
diese lebt nämlich in vielerlei Hinsicht von genau diesen
Zeitverschiebungen im Inneren der Geschichte. Dem Zorne eines Billy
kann Stephens keine Stimme im Gerichtssaale geben, in ihm keinen
zusätzlichen (Zwangs-)Zeugen gewinnen, auch nicht mithilfe seiner
eigenen Tochter, deren erneuten und nicht letzten Anruf er doch
tatsächlich dazu missbraucht, seinem Plädoyer mehr theatralische
Kraft zu verleihen, um doch noch, es gelänge aber nicht, zu Billy
durchzudringen. Das fast schon von Natur aus überfüllte Fass, droht
endgültig überzulaufen, als die Tochter trauerbedingt und
vermutlich der Wahrheit entsprechend hinzufügt, sie sei beim Arzte
gewesen und man habe die Todesbotschaft bezüglich Aids, HIV-positiv,
verkündet. Ob er ihr Glauben schenkt? Wenn nicht, so handelt es sich
hierbei um einen weiteren massiven Schlag, welchem die Tochter
hilflos ausgeliefert ist, ferner auch darunter leidend, dass er
oftmals glaubt, ihr gewissermaßen voraus zu sein. „Welcome to hard
times, daddy“, heißt es nun jedenfalls – und abermals wiederholt
sich das Bild der Baby-Zoe, auch hier erweist sich der Film in seinem
stets zum richtigen Zeitpunkt eingreifenden Feingefühl fast als zu
perfekt und makellos, geradezu erschreckend, wie sich Egoyan bei
diesem seinem gefühlsintensivsten Film keinerlei Fehler gestattet,
nicht einen einzigen scheint er sich zu erlauben.

Vor Dolores wird Stephens nun direkter,
läuft auf sie zu und sie wird infolgedessen von ihrem ebenfalls
einer Minderheit angehörenden, von Stephens zuvor offenbar nicht im
ausreichenden Maße ernstgenommenen Manne beschützt, nur sie ist in
der Lage, ihm ganz und gar folgen zu können, das Netz von Vertrauen
und Verständnis wurde Jahrzehnte über gewoben. Die Räumlichkeit
der Zeugenaussagen so groß, so lang, so leer. Ein Saal einstmals
unbeschwert gewesener Tage, Mitchell von Dolores' Aussage sichtlich
unberührt, oder lässt er lediglich keine Emotionen zu? Unklar nun,
wann Nicole die für sie und die Gemeinde so wichtige und bedeutsame
Entscheidung drastischer Art trifft, ob während des Zuhörens, wie
es Spannungen zwischen Billy und Sam zu beobachten gäbe, oder doch
erst, als sie dem Vater kurz darauf, in der Nacht vor dem Tage der
Tage, eine Entschuldigungschance einräumt? Sam sagt in dreistem
Mangel an Wissen, er wüsste genau, wie Billy sich fühle, „Wie?!“,
entgegnet dieser dem klar im Worte, „ziemlich deprimierend und so“,
antwortet Sam recht halbherzig und ohne jeglichen psychologischen
Verstand. „Du hattest nichts mit dem Unfall zu tun“, sagt die
Stiefmutter dem seine beiden Kinder verloren habenden und hinter dem
Bus her gefahrenen Manne doch tatsächlich, sie ist mir im gesamten
Film vermutlich mit am unangenehmsten. Billy ist noch so gütig und
hilfsbereit, nach alledem seinen finanziellen Anteil anzubieten,
erinnert an die Gemeinschaft die füreinander da war, doch Sam
erweist sich abermals als undankbar. Nicole's Spiel in diesen und
weiteren späteren Szenen ist von unsagbarer Intensität, die
ihresgleichen sucht. Zumeist dann noch aussagekräftiger, wenn sie
nur des traurigen Blickes stille Worte verliert, ohne aber konkret
ein solches in den Mund zu nehmen. Der finale Spruch von Sam Billy
gegenüber, ist endgültig zu viel des Schlechten, ich wäre an
Billy's Stelle unter Umständen wohl noch einmal zu Sam
zurückgekehrt..., tut mir leid...

„The stage … nothing but candles“
- Sam versteht jede auch noch so kryptisch anmutend formulierte
Anspielung seiner Tochter, jedes Wort so unmissverständlich klar,
doch er nimmt die Chance nicht aktiv wahr. „Warum ich log, wusst'
er allein“, hiermit könnte sowohl ihr Vater, als auch Gott gemeint
sein. Die Tränen deuten sich nur an, langsam fließen sie hinunter,
vergossen gar, jedoch ohne inneres Eis der angeschlagenen Seele
schmelzen zu lassen, einen ähnlich winterlichen Tiefgang erlebte ich
bislang nur in „D2“ von Kenji Eno, der geheimnisvolle Score
erschafft ein übriges und bedroht etwas in uns. Sarah Polley schenkt
uns hier nun die vollständige, vollendete Kunst ihres göttlichen
Schauspiels, das Werk nahezu am Ende angelangt und die Heilung doch
erst an ihrem hoffnungslosen Anfangspunkte. „...frozen as a winter
moon“, die Worte bleiben haften.

Dolores gegenüber mag das Ende recht
grenzwertig erscheinen, doch ungerecht hin oder her, war es in dieser
schwierigen, Konsequenzen habenden Lage nur noch eine Frage des
Abwägens zwischen dem Für und dem von Dolores einmal abgesehen kaum
vorhandenen Wider – dennoch kontrovers....


...und Vater musste sich nun die Frage
stellen, WESHALB die junge Lotusblüte log, die Antwort sie dürfte
ihm geläufig sein, ihre baldige Frage bezüglich des Rechners von
Stephens, stellt dabei eine der seltenen Pointen dar. Die Fallakten
nunmehr geschlossen, auch der Flug im Herbste des J. 1997, scheint
sein nur scheinbar gesundes Ende genommen zu haben, denn alles ist
passé, doch die Narbe bleibt erhalten. Die nachträgliche Begegnung
mit Dolores stellt einen letzten Kontakt zwischen zwei Welten her,
die Szene wechselt in Bälde wieder zu Sarah, wie sie das Märchenbuch
nun endgültig schließt, um dem Schicksal des metaphorischen
Weiterlesens entronnen zu sein, fortan von Erinnerung zu leben, denn
die Erzählung nimmt an ebendiesem Punkt ihr wohlverdientes Ende.
"L oyalität bedeutet mir wesentlich mehr als Geld."

  • »Daniel Schweikert 1996« ist männlich

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862

Samstag, 15. April 2017, 18:05

Pauline à la plage

Und die Tage sie verstreichen,
Urlaubsbrise weht so sehr, Erwachsene wie sie Pauline nicht zu Ehre
gereichen, selten war das Leben fair


„Wer zu viel redet, verliert sich
selbst“ - so besagt es jenes Sprichwort, welches diesem
rohmer'schen Meisterwerke aus dem 35 Jahre zurückliegenden Jahre
1982 zugrunde läge, lag, liegt, künftighin liegen wird, ein Film
wie dieser ist wahrlich allgegenwärtig für all jene, die dem Werk
des Papstes der nouvelle vague, Eric Rohmer sein Name, nicht
abgeneigt sind!


Das Gartentor der bereits hier, im
Standbilde der von zwitschernden Vögelgesängen untermalten
Anfangssequenz, spürbaren Idylle sich öffnend – sich gegen Ende
gar wieder schließend, tatsächlich gleichen Amanda Langlet's 91
Minuten im Aufbau durchaus einer Art Theateraufführung.

Pauline und ihre scheinbare Tante,
welche sich jedoch als Cousine wird herausstellen dürfen, eröffnen
nunmehr die Welten ihres ersten gemeinsamen Dialoges, ähnlich wie 12
Jahre zuvor in der Konstellation Béatrice Romand und der Diplomat,
wird auch die Kombination Pauline und Marion (elegant wie eh und je,
aber bisweilen etwas schläfrig synchronisiert: Arielle Dombasle)
unter Beweis stellen, dass die betagtere Person nicht zwangsläufig
auch an Reife reicher ist.

Die Küste des Atlantiks singt ihr Lied
der Meeresbrise, Arielle fühlt sich, so offenbart sie sich ihrer
Jungcousine, als sei sie niemals verheiratet gewesen, vielmehr habe
die Verbindung sie so wenig verspüren lassen.

Lediglich auf körperlicher Ebene
stellt sie eine Art Ideal des Makellosen dar, die inneren Werte
bezeichnet sie zwar hingegen durchaus als wichtig und bedeutsam,
widerspräche aber in manch' Taktlosigkeit ein Stück weit ihrem
persönlichen Ehrenkodex.

Pierre (Pascal Greggory) wird zu Beginn
überwiegend als Sympathieträger porträtiert, eher weniger diesem
Bilde entspräche Henri, ein Ethnologe, worin sich eine Parallele zu
den Filmen „Sommer“ (1996, ebenfalls mit Lady Langlet) sowie
„Vier Abenteuer von Reinette und Mirabelle“ (1986) widerspiegelt,
letzterer Herr hielte eine Bindung für etwas Längeres als eine
Beziehung, in solchen Kontexten wiederum wären wir bereits beim
baldigen „Liebesquartett“, bestehend aus den beiden Cousinen
sowie besagten zwei Herren der Schöpfung angelangt, ein
philosophisches Gespräch zur Abendstund', möglicherweise gar als
seelischer Höhepunkt des Films inszeniert.

„Alleinsein als Zustand der
Erwartung“ - zu warten, wäre somit Marions gegenwärtige Aufgabe
vorübergehender Zurückhaltung, doch es dauert mitnichten sonderlich
lange, bis alsbald gefühlt der ganze Strand auf die beiden
Lotusblüten von Cousinen aufmerksam wird, das verwirrende
Wer-mit-wem-Spiel im Zuge der Frage nach dem allgegenwärtigen und
ganze Welten umfassenden Warum, prägt den Kern eines jeden echten
Rohmer-Filmdramas.

„Ich werde nicht mehr für Liebe
halten, was keine Liebe ist“, so sprach es aus ihr.

Im nächsten Moment sagt Marion
hingegen so (un-)wohlklingend, sie irre sich im nächsten Moment
womöglich wieder.

Sie entfache Gefühle, doch diese,
höret auf Pierre, sollten nicht zu schnell entfachen und entflammen,
denn sonst brenne das zwischenmenschliche Feuer in unseren Seelen und
Lenden nicht lange.

Wartend von der Hoffnung lebend,
lediglich Pauline gibt sich zunächst ausschließlich der Kunst des
Zuhörens hin, sie wird gefragt, ob sie „noch“ warte, das dürfte
im Alter von 15 Jahren doch wohl selbstverständlich sein.

Sie erfasst die Tiefe der Seelen jedes
Wesens fast ausschließlich aus der Perspektive einer stillen
Beobachterin, selbige Beobachtungen umfassen bedauerlicherweise auch,
wie Arielle etwa dazu neigt, Pierre abzuweisen und dies zeitweise
wahrlich zu drastisch, denn Ehrlichkeit in allen Ehren, liegt sie
geradezu vor seinen Augen in den Armen von Henri...

Marion redet im Rahmen ihrer
rhetorischen und textlichen Darbietungen viel über die Liebe im
Allgemeinen und drückt sich wahrhaftig hübsch aus, ist aber wie
bereits zur Erwähnung gebracht taktlos genug, um Pierre vor dessen
Augen zu quälen, somit „verkörpert“ sie besagtes Ideal
lediglich, lebt es jedoch nicht, ähnlich wie auch Henri, welcher
sich erschreckend wenig aus ihr macht, andererseits aber auch
teilweise zu seiner Haltung stünde, unangenehme Seiten an den Tag
legt, selbigen Egoismus aber wie gesagt wenigstens nicht gänzlich zu
seinem persönlichen Geheimnis werden lässt.

Immer wieder und wieder, etwa sogleich
bei Arielle und Pierre, sitzt Pauline leiser Gedankenwelten im
Hintergrunde und erblickt, wie die anderen nicht bemerken, was sie
dem sich seelisch entwickelnden Mädchen zuweilen antun.

Pierre möchte Arielle, so suggeriert
sie es uns und seiner Wenigkeit, möglichst loswerden, allenfalls
auf platonischer Ebene sei er ihr willkommen, so rät sie ihm, er
möge doch bitte Pauline (!) den Hof machen, mit welcher er auf ein-
und derselben Wellenlänge schwebe und schwimme, selbst in den 70er
und 80er Jahren dürfte dieser Vorschlag ihrerseits so manchem
Zuschauer Spanisch vorgekommen sein, doch Pierre wird mitnichten
gänzlich aufgeben.

Henri erwirbt alsbald eine Musikplatte,
wie wir sie rein klanglich betrachtet aus dem so melodisch
eindringlichen Trailer kannten (ein weiterer Trailer auf der DVD, ist
u.a. „Fanfan et Alexandre“, ein Meisterwerk!), die Grenzen
zwischen Fiktion und Realität verschwimmen, wenn der langsamen
Lieder (ohne Text) wegen getanzt wird, alles auf Romantik ausgelegt
ist und die Welt nur noch schwebt und schweigt, sich alles zum Traume
verzweigt.

Hier spielt Musik in einem Rohmer-Film
eine in Ansätzen als tragend zu bezeichnende Rolle, da sie
gewissermaßen einen Teil des Kennenlernens zwischen Pauline und
ihrem Freunde darstellt, stünde sie in keinem klaren Kontext, hätte
Rohmer vermutlich gänzlich auf sie verzichtet, sie bildet somit
einen Teil der Handlung.

Henri erweist sich auch hier, d.h. in
seiner Rolle als Gastgeber, in Bälde als recht feige, so ist
„Pauline à la plage“ nicht zuletzt auch ein Film über das
Erwachsenwerden, aber oftmals weniger jenes der Adoleszenz, sondern
(mindestens) gleichsam das der vermeintlichen Erwachsenen, siehe
Henri's kleine Lüge – und solch einem Lustmolch wird Pauline
anvertraut, andererseits hat er sich, wie ich schon sagte, auch nie
als etwas anderes bezeichnet, selbst seiner Tochter scheint er nicht
allzu viel vorzumachen.

Pierre sei ihr, Marion
höchstpersönlich, ähnlich – das glaubt Arielle/Marion
tatsächlich, vielmehr suche sie aber jemandes Anwesenheit, der sie
zu ergänzen vermag (dabei scheint ihr Henri ähnlicher zu sein, als
Pierre es ist, oder was irrt mich da?)

Die Blüte der Liebe sich mitnichten
entfaltend, ein Verwirrspiel über unzählige Ecken, wie es in dieser
Form nur im Oeuvre eines Éric Rohmer denkbar ist, etwa wie Pauline's
jungem Begleiter teils Unrecht getan wird, wodurch selbst zwischen
ihr und Pierre (!) gewisse Unannehmlichkeiten leicht unschön
anmutender Missverständnisse entstehen, sich auszubreiten drohen.

Mit niemandes Diskretion ist zu
rechnen, jeder erzählt jedem etwas für die Situation
Unvorteilhaftes, Konversation als Manipulation und umgekehrt, Betrug
als Kunstform, das gibt es in dieser oder auch nur in einer
vergleichbaren Form bei keinem anderen Regisseur, darauf gebe ich
Ihnen Brief und Siegel, doch sehet selbst...


Wie ein Detektiv „verhört“ Pierre
die Verkäuferin, welche dem nur köstlich Grobes zu entgegnen
hätte...

Interessant in nicht allzu ferner Bälde
die Unterhaltung zwischen Silvain (dem jungen Freund) und Henri,
letzterer sagt doch allen Ernstes, er selbst sei „zu nett“, ich
nehme alles zurück, was ich in Bezug darauf sagte, ihn seiner
Einsicht wegen in Schutz zu nehmen..., merkwürdige
Selbstwahrnehmungen par excellence, DAS wird nur noch übertroffen
von Isabelle Huppert's „Das haben wir gut gemacht“ in „Biester“.

Marion will verständlicherweise nur
ungern wahrhaben, welch zeitlich begrenzte Liaison Henri für ihre
Wenigkeit wird sein..., gar personifizieren müssen, Pauline
durchschaut derweil abermals manch geradezu absurden Widerspruch und
sieht sich stets im Auge des Sturms gefangen.

Wie auch in „Sommer“, beherrscht es
Amanda Langlet mit magischer Brillanz und Bravour, das nachdenkliche,
die Welt zu beobachten imstande seiende Mädchen zu spielen, herrlich
auch Pierres baldige „anmaßende“ Bemerkung („du hälst dich
nicht zufällig für den Mittelpunkt der Welt“, weiß sie dem zu
entgegnen!), nichts bleibt ihrerseits gänzlich unbemerkt, am Ende
gewann gar niemand, Wille oh Wille, du vermochtest mit der Versuchung
zu sterben...
"L oyalität bedeutet mir wesentlich mehr als Geld."

863

Montag, 8. Mai 2017, 02:44

Ronin (John Frankenheimer, 1998 )
Agententhriller mit einer der berühmtesten Verfolgungsjagden, unter anderen durch den Pariser Tunnel, in dem Lady Di vor fast genau 20 Jahren starb. Thriller-Spezialist Frankenheimer (Botschafter der Angst, Grand Prix, Schwarzer Sonntag) liefert hier wieder einen technisch perfekten Film ab, bei dem die Bilder ähnlich wie bei Grand Prix letztlich mehr Spaß machen als die Geschichte. In dieser visuellen Brillanz und Virtuosität ist Frankenheimer meiner Meinung nach vergleichbar mit Brian De Palma, nur mit dem großen Unterschied, dass er viel mehr Wert auf Realismus legte.

Hier vereinte er mit Sean Bean, Michael Lonsdale und Jonathan Pryce gleich drei Bondgegner, was wohl ein recht eindeutiger Wink in Richtung des Franchises ist. Auch wenn er als Amerikaner wohl keine Chance hatte, hätte ich einen Bondfilm von Frankenheimer sehr gern gesehen. Mit Ronin ist ihm nach dem DNA-Deaster noch einmal ein sehr spannender und hochkarätig besetzter Agententhriller gelungen. Schauspielerisch ist hier jeder in Topform. Nur am Ende fehlt für mich nach der genialen Action noch mal ein klarer Höhepunkt. Die Thematik - was machen Agenten nach dem Kalten Krieg - die in den 90ern sehr beliebt war und sich ja auch bei Bond oder Mission Impossible findet, finde ich hier trotzdem mit am intelligentesten umgesetzt. Im Prinzip geht es um Loyalität. Am Ende überleben nur die, die sich und anderen treu geblieben sind.

  • »Daniel Schweikert 1996« ist männlich

Beiträge: 1 871

Registrierungsdatum: 18. Februar 2014

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864

Samstag, 13. Mai 2017, 13:15

Ein Text von vor einigen Monaten, ich führte mir den Film nun noch einmal zu Gemüte und er fühlt sich fast so an, als befände sich der Zuschauer direkt vor Ort:
Vier Abenteuer von Reinette und Mirabelle

Mir wird die Ehre zuteil, Sie willkommen heißen zu dürfen in der Welt eines kleinen Kunstfilms französischen Zaubers, Gestalt annehmend außerhalb der drei regulären Rohmer-Zyklen, es handelt sich hierbei um den herzerwärmenden Episodenfilm "...Reinette und Mirabelle".

Empfangen werden wir wahrlich in recht überraschender Form, sind doch 80er Jahre Soundtracks bei Rohmer recht unüblich, obgleich zumindest "Vollmondnächte" (eher aber visuell) in diese Richtung ging.
Auch im Trailer des hiermit rezensierten Films verzichtete der Meister mitnichten darauf, die 80er Jahre gebührend zu zelebrieren.
Wir befinden uns zunächst auf dem Lande, Wälder und Felder, Wunder und Gefilde traumhafter Schönheit, so zart jeder einzelne Moment...
Mithilfe einer recht spontanen Begegnung zweier Mädchen, wie sie sich noch fremd sind, entsteht das freudengeschwängerte Lebensereignis eines Kennenlernprozesses, so doch die werte Mirabelle einen Fahrradplatten zu beklagen hätte und eine gewisse Reinette vermag ihr zur Hilfe zu eilen.
Während die jungen Damen den Defekt beseitigen, bemerken wir abermals das Zwitschern der Vögel, diese allgegenwärtigen Wunder der Natur.
Herzergreifend heitere Idylle im Grünen, uns umschmiegende Bilder blumiger Erscheinungspracht, Bäume ausgeschmückt mit Blättern so leicht wie eine Feder und so grün als wollten sie das ganze Jahr über wie die Blüten blühen, warme Schönheit sanfter Poesie.
Erneut erleben wir, wie auch zehn Jahre darauf in "Sommer" (1996), eine Ethnologiestudentin, wie sie durchaus die Fähigkeit an den Tag legt zuhören zu können (Mirabelle, links auf dem Cover zu sehen).
Ferner erleben wir - genau genommen hauptsächlich da überaus gesprächig - Reinette (rechts auf dem Cover sichtbar), eine künstlerisch aufblühende Malerin magischer Kreativität, welche sich jedoch in anderen Hinsichten als etwas schwierig erweist, insbesondere im O-Ton... - nicht dass ich es ihr vorwerfen würde, das ganz bestimmt nicht.
Ihre erschaffenen Bildwunder werden gar einzeln analysiert und diskutiert, der Dialogzauber entfaltet sich in einer sich Zeit lassenden Weise der Verlangsamung, eine Entschleunigung ergreifender Art, wie sie vom Kino nur sehr selten zugelassen wird.
Ein wiederkehrend auftauchendes Thema ist das Phänomen der Stille, ..."die Stille gäbe es nicht in der Natur", Stille mache einem Angst, verweilend zwischen Leben und Tode.
Vom Weltuntergang könne nur dann die Rede sein, wenn "die Natur zu atmen aufhöre", überhaupt misst Reinette, die im Gegensatz zu Mirabelle vom Lande kommt, der Natur ein einerseits sympathisch hohes, andererseits schon gar überlebensgroßes Maß an Bedeutung bei.
Wenig typisch für Rohmer, folgen in Bälde auch einige wenige Kurzszenen in fast vollkommener Dunkelheit, die brunette Reinette wirkt im Zauber der Nacht fast fanatisch frustriert, als das von ihr zuvor erzählerisch hervorgehobene Naturwunder nicht so recht entstehen wollte...
Alles gleicht einem Bauernhof, ebensolchen sehen wir auch alsbald direkt vor unseren Augen, oh welch gigantomanisch großes Grundstück und die entsprechend naturnahen Szenen erweisen sich - wohlgemerkt positiv gemeint! - selbst für Rohmer-Verhältnisse als fantastisch langsam, so schwerelos und leicht - und doch solch Fülle an Inhalt offenbarend.
Kurz darauf kritisiert Reinette (hier pflichte ich ihr wahrhaftig bei) das Bildungssystem, etwa dass des Stundenplanes wegen alle 45 Minuten ein anderes "Fach" auf einen warte, kritische Stimmen gegenüber der verfehlten Bildungspolitik offenbarte und erhob Rohmer erwähnenswerterweise etwa auch in "Frühlingserzählung" (1989).
In gewisser Weise ist sie des Zeichnens wegen geboren, ..."wenn ich zeichne, so weiß ich wann es falsch ist, ich weiß nur nicht WARUM es falsch ist" - natürlich weißt du letzteres nicht, denn das Zeichnen ist keineswegs falsch, sondern genau richtig!
Bei anderen Tätigkeiten hingegen fühle es sich jedoch IMMER falsch an, ein intolerabler Zustand, der da Seelen quält...
Viel Vertrauen bringt sie Mirabelle entgegen, die so zuvorkommend ist sich jede Geschichte von A bis Z anzuhören, nur bezüglich der bildschönen Mirabelle erfahren wir stellenweise reichlich wenig - womöglich ändert sich das ja in Episode 2, die sogleich zu beginnen gelobt, Episode 1 vollendet.

Die zweite Episode versetzt uns in das einstmals zeitgenössisch gewesene Paris der 80er Jahre, die 80er erlebten wir zwar soeben auch auf dem Lande, doch nur in der Stadt werden selbige auch sichtbar.
Unter Fußgängern, wie sie Reinette (nunmehr bei Mirabelle wohnend, welch schnelle Lebensentscheidung...) hätten behilflich sein sollen, entwickelt sich eine köstliche Diskussion, wie sie genauso gut real sein könnte.
Sagte ich soeben Diskussion?
Oh welch perfekt passendes Stichwort, denn ebendieses Phänomen der nicht vorhandenen Einigkeit, herrscht in Bälde innerhalb eines idyllischen Pariser Cafés, Diskussionen Gestalt annehmend zwischen Reinette und einem partout nicht locker zu lassen gewillt seienden Kellner, köstlich jeder Augenblick, herrlich jeder einzelne Dialog!
Die Situation mit den 200 franc, bei Mirabelles baldiger Anwesenheit sind es gar 500, ist an Komik und Charakter nahezu unmöglich zu überbieten, Rohmer gibt sich dem Widerspiegeln des menschlichen Alltages in solch unvergleichlicher Weise hin, dass ich mitnichten imstande bin den Zauber in Worte zu fassen.
Im Nachhinein, die Flucht vollendet, sagt Reinette so ärgerlich:
"Ich habe genau das getan, was er mir prophezeit hat, ich bin einfach gegangen", das Thema scheint sie zu verfolgen und die Art wie - wenn auch teils überspitzte - Realvorkommnisse im Rohmer-Universum platznehmen, so echt erscheinen, beflügelt und betört mich immer wieder auf's Neue.
Aufhören solle man wenn es am schönsten ist, drum dürfte die 2. Episode nun passé sein, vielmehr geben wir uns fortan zunächst der Dritten hin...

Episode 3 beginnt und offenbart zunächst eine sympathisch-spendable Reinette, später jedoch verhält es sich eher umgekehrt, zu Beginn stellt sich zwischen unseren Mädchen aber erst einmal die deutlich komplexer als anfangs anzunehmen sei seiende Frage, ob man nur "netten" Menschen etwas geben sollte, oder aber auch jenen die einem eher weniger wie ein Sympath erscheinen?
Nur jenen etwas geben, die bei uns den Eindruck erwecken, sie bräuchten die Unterstützung wirklich, oder tue man damit nicht all jenen unrecht, denen es gut täte etwas zu erhalten, welche aber weswegen auch immer nicht diese ehrliche Wirkung nach außen tragen?
In welchem Verhältnis zum eigenen, selbstverständlich ebenfalls alles andere als unbegrenzten Finanzstand, soll die Gabe wohl genau stehen?
In einem Lebensmittelgeschäft, einstmals noch frei von Videoüberwachung, entscheidet Mirabelle doch glatt, sie helfe einer Dame, die etwas zu stehlen beabsichtigt, gar damit durchzukommen gedenkt, nicht wissend dass sie entdeckt worden ist, womöglich nicht nur von besagter Mirabelle, die nun bereit ist ein Hilfsrisiko der Mittäterschaft auf sich zu nehmen.
Sobald sie im Hause eintrifft, Reinette hat ironischerweise auch noch Geburtstag, so ihr die "Geschenke" gerade recht sind, äußert Mira Reinette gegenüber:
"Du hast das nicht mir zu verdanken."
Reinette wird bestürzt sein, so schockiert wie verblüfft, so überrascht wie fassungslos, denn Mirabelle's Geschichte löst wahrlich eine ergreifend komplizierte Diskussion zwischen den beiden Lady's aus.
"Du bist lasterhaft geworden", sagt Reinette doch tatsächlich zu dieser ihrer besten Freundin, unser Moralapostel spricht von drohenden Konsequenzen, laut Mirabelle müsse man aber hingegen eher die URSACHE der Armut erkennen und erforschen, gar ergründen, nur so ließe sich dergleichen bekämpfen, ich teile Mirabelle's Meinung, dass der erste Schritt Verständnis sein sollte, bevor voreilige Schlüsse gezogen werden.
Und kommt das Helfen einer Heilung gleich?
Auch diese Frage stellt sich, denn laut Aussage von Reinette würde Mirabelle die Taten dieser Art nur fördern.
"Wir alle sind doch Richter", das hat Reinette allen Ernstes hinzugefügt, glaubend an Selbstdisziplin, woraufhin Mirabelle gekonnt antwortet:
"Wenn du an die Selbstdisziplin glaubst, so schenkst du 'ihm' Vertrauen", bezogen auf ein anderes Beispiel, Mirabelle's Antwort richtete sich auf eine weitere Geschichte von Reinette, herrlich verworren wissen die Dinge zu erscheinen, hier noch Logik zu erzeugen, ist rohmer'sche Kunst.
"Sie kennen meine Lebensgeschichte nicht!", sagt eine von Rohmer-Stammschauspielerin Marie Rivière dargestellte Nebenprotagonistin in ihrer Rolle als ärmliche Fremde zu Reinette, nachdem letztere mehrfach Vorträge über Vertrauensmissbrauch hielt, gar zum Überreagieren neigte...
Da es nahezu unmöglich ist, die Dynamik, aber gleichsam auch die Tiefe dieser Episode zu beschreiben, gehen wir nun zu Episode 4 über.

In der finalen Episode dieses wundervollen Rohmer-Meisterwerkes, erleben wir erstmals eine Reinette, wie sie nach all ihren Predigten SELBST eine persönliche Finanzproblematik des Knapp-bei-Kasse-seins erlebt, so lässt sie gezwungenermaßen auch eine unschöne Erfahrung bei der teils vergeblichen Jobsuche über sich ergehen, nachdem sie zuvor aber noch jemanden verurteilt hat, der einen ebensolchen Job nicht fand...
In gewisser Weise hat es Reinette im sozialen Miteinander recht schwer, war sie doch nie auf einer Schule mit anderen Kindern, gleichwohl sie dennoch ihren Abschluss hat absolvieren können.
Ihre Vergangenheit auf dem idyllischen Lande ließ sie oftmals frei von Besuch allein sein, ihre Kunstwerke sind ihr Fenster zur Welt:
"Wenn ich nicht male, habe ich das Gefühl Zeit zu verschwenden", hier offenbart sich die Künstlerseele, die niemals vernachlässigt werden sollte, auch ihr Erbe der bedauerlicherweise verstorbenen Großmutter wird ihr karrieretechnisch noch nicht allzu viele Türen öffnen.
Ihre Berufung lebt von innen heraus, nur durch die Kunst des Schweigens habe Reinette laut eigener Aussage die Möglichkeit, sich ihrer Vorstellung entsprechend auszudrücken, auch rede sie sehr ungern - obgleich sie eigentlich die ganze Zeit über kaum etwas anderes tut, in genau diesen Widersprüchen sind Rohmer-Filme meist am stärksten, EXAKT das macht diese Filme so über alle Maßen menschlich.
Jawohl, Widersprüche en masse und ich zelebriere jeden einzelnen davon!
Alles wiederholt sie so wunderbar spontan, als fiele es ihr just in diesem Moment zum ersten Male ein, am morgigen Tage folgt einer belustigenden Wette wegen ihr Dasein in vollkommener Stille, stumm und leise begeben sie sich auf die Reise...
Die baldigen Szenen in der Galerie sind so grandios-genial, so rohmertypisch wie nur irgend möglich inszeniert - denn der Meister des Dialoges lässt selbst dialoglose Szenen zum Dialog werden...
Der Fremde antwortet gewissermaßen für Reinette auf die von ihm (!) gestellten Fragen, ihrerseits existiert ausschließlich Körpersprache.
Er erklärt ihr ihr Bild sowie dessen Aussage und Botschaft, bedenkt man dass sie (!) die Werke erschuf, ist die Situation geradezu absurd.
Drastische Worte (im wahrsten Sinne des Wortes hinter ihrem Rücken) des Mannes, führen zu Mirabelle's Eingreifen in die Situation, gekonnt bringt sie sich fortan ein.
Erneut kommt sozusagen das Schweigen zur Sprache, selten waren Worthülsen und einzelne Laute so überflüssig und notwendig zugleich, zauberhaft jede einzelne Szene, ein Regisseur wie ein Komponist, denn jeder seiner Dialoge ist Musik in meinen Ohren!

Wie die Enden der Enden im Leben so spielen, gestattet es sich der Geschäftsmann gegen Ende, die Mädchen wissen nichts davon, den doppelten Preis für das Kunstwerk zu verlangen, kühl und berechnend entlässt uns diese unschöne Momentaufnahme nach 95 tiefgründigen Minuten in den Abspann, welcher abermals den Musikstil der 80er Jahre widerspiegelt.
"Vier Abenteuer von Reinette und Mirabelle" ist mit kaum einem anderen Film vergleichbar und in dieser so urfranzösischen Form einzigartig und brillant, drum seied' gespannt!
"L oyalität bedeutet mir wesentlich mehr als Geld."

865

Sonntag, 4. Juni 2017, 03:08

Im Kino:

Alien - Covenant
Hat mich leider nicht so sehr überzeugt. Ich liebe den originalen Alien und auch Camerons Aliens, bin aber nicht wirklich 'Fan' des gesamten Franchise. Dafür ist mir Alien3 viel zu schlecht, und auch die 4 und die Begegnungen mit dem Predator interessieren mich nicht so richtig.

Dafür mochte ich aber Prometheus mehr als der Großteil der Kritiker und Fans. Und genau ist das Manko von Covenant. Viele sehr interessante, offene Fragen werden nicht geklärt. Zum Teil entledigt sich Scott dem "Ballast" von Prometheus ähnlich unsympathisch wie Fincher in Teil 3. Mich hätte ein echtes Sequel zu Prometheus interessiert. Aber da hat sich Ridley Scott wohl vor der Mehrheitsmeinung gebeugt und seine ursprüngliche Vision verwässert. Das finde ich schade, denn das hätte ein Grandseigneur des Kinos wie er eigentlich absolut nicht nötig. Es gibt ein paar deftige FSK16-Szenen, aber die verpuffen meiner Meinung nach, da sich der Antagonismus des Films zu sehr auf etwas anderes verschiebt. Da hatte Prometheus für mich mehr Suspense. Zudem entsorgt Scott mal eben so nebenbei das geniale Konzept von James Camerons Fortsetzung. Während er die Action-Ideen desselbigen paradoxerweise zitiert.

Das große Versprechen der Alien-Fortsetzungen war zum einen, die Aliens auf die Erde zu bringen, oder den Heimatplaneten der Aliens zu zeigen, und Mysterien wie das des Spacejockeys zu klären. Stattdessen wurden die genialen Ideen vom ersten und auch zweiten Film leider immer mehr verwässert. Ich möchte hier mal die Tradition von Dr. MoVe aufgreifen und andere Kritiker zitieren, in diesem Fall Andreas Borcholte von Spiegel Online:

„Alien: Covenant tut sich schwer genug, die Ereignisse von Prometheus auch nur ansatzweise logisch zu verarbeiten. In der Mythologie der Reihe werden hier mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, manches erscheint nachgerade unsinnig. Zudem schleppt der auf physische Alien-Action getrimmte Film schwer an seinem metaphysischen Ballast. Originalität und Spannung bleiben dabei auf der Strecke.“

Dr. moVe

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866

Montag, 5. Juni 2017, 16:01

Bezüglich Alien : Covenant:

Generelle Spoiler-Warnung für mein ganzes folgendes Statement: Kann mich deiner Ernüchterung leider nur anschließen, geschätzter Martin. Wobei ich 'Prometheus' bis heute ebenfalls nicht besonderes mag, was aber keineswegs an dessen inhaltlichen Innovationen liegt - allen voran die prä-astronautischen Schöpfungsmotive und die herausragende Optik, sondern die nervige Aneinanderreihung hinreichend ausgetretener Franchise-Klischees und die geradezu publikumsbeleidigende dumpfe Doofheit diverser Filmprotagonisten. Vom Sequel erhoffte ich mir daher vorallem: Mehr Tiefgang, mehr Antworten und bitte, bitte, endlich weniger Endlos-Recyceltum des 'Einer nach dem anderen... entfernst du dich von der Truppe, wirst du sofort zerschnetzelt'-Prinzips, das mich bereits erst kürzlich, in dem imho äußerst schwachen Genre-Werk 'Life' extrem langweilte.
Hocherfreut war ich daher von der herausragenden 'Alien : Covenant'-Main Title-Szene mit David und Weyland, die genau die Klasse und Qualität ausstrahlte, die ich mir vom ganzen Film wünschte.
Umso ernüchterter wirkte auf mich, der sich direkt anschließende Selbst-Zitate-Schub Scott's, bei dem ich zeitweise das Gefühl bekam als hätten wir es nicht mit einem Prequel sondern einem simplen Remake zu tun.
Pausiert dieser (wie immer bei Scott) sehr stylisch servierte, doch imho nichts destotrotz doch irgendwie franchise-aushöhlend anmutende und an die Schwächen von 'Star Wars: The Force Awakens' erinnernde 'Fan-Movie'-Aspekt mal zwischendurch, folgen dann allerdings direkt Passagen die mich unterm Strich noch ratloser zurücklaßen. Die von Dir, Martin, bereits erwähnten zahllosen Zugeständnisse an die puristische Alien-Fanbasis, gehen auf Kosten der Detailintensität beim Ausbau der Prometheus-Story. Auch wird generell etwas weniger Zeit auf Einstellung zum szenischen Verweilen verwendet. Schade auch, dass es das Zusatzmaterial der Promotion-Kampagne nicht in den Film geschafft hat.
Das letzte Drittel wirkte dann mehr und mehr un-innovativer auf mich. Und der finale ähhh 'Überraschungs-Clou' ist imho dermaßen vorhersehbar, das ich von einer erneuten, echten Publikumsbeleidigung sprechen möchte. Für wie doof hält man uns denn bitteschön ? Wie die ganze Evolutionsstory der Xenomorph-Rasse logisch mit Cameron's Aliens-Königin und dessen Nachfolgerinnen verknünft sein soll, ist mir allerdings bisher auch nicht aufgegangen - oder soll etwa Elizabeth Shaw zu einer Art Ur-Alien-Queen mutiert sein ? :think:

Wohlwollendes Gesamtfazit: Durchwachsen. Die erste Szene ist herausragend, die folgenden Abschnitte leider etwas lieblos abgespielt. Die Quintessenz des Films ist ja erstaunlich Technologie-Feindlich. Vielleicht ist es auch so zu erklären, dass Scott die Wissenschaftler und Techniker, also die Spezialisten, als so dumm darstellt. Sie stolpern blindlings in Situationen, die ihren Tod bedeuten, so wie die Menschheit Technologien entwickelt oder entwickeln wird, die zu ihrem eigenen Untergang führen. Den Einsatz des Ur-Aliens fand ich auch nicht besonders gelungen und den Kampf, erst mit Kran, dann mit schwerem Lastwagen auch dementsprechend. Fortgeschrittenen Technologien begegnet man am besten mit brachialen, mechanischen Ideen. Diese Technik lässt sich noch beherrschen, alles andere ist zu gefährlich, weil schon (für viele) nicht mehr verständlich. Dieses Narrativ hat Scott allerdings konsequent durchgehalten, die Schöpfer werden von ihren Kreationen getötet, so wie der Mensch letztendlich von seinen. Die Piloten aus Prometheus und Covenant ragen heraus, Analyse dazu noch nicht abgeschlossen...

867

Montag, 5. Juni 2017, 23:58

Ich sag auch mal Spoiler.


Wie die ganze Evolutionsstory der Xenomorph-Rasse logisch mit Cameron's Aliens-Königin und dessen Nachfolgerinnen verknünft sein soll, ist mir allerdings bisher auch nicht aufgegangen - oder soll etwa Elizabeth Shaw zu einer Art Ur-Alien-Queen mutiert sein ? :think:


Genau das empfand ich als ziemlich dicken Stinkefinger in Richtung Cameron. Dass man alles nach Teil 2 ignoriert, kann ich ja verstehen, aber gerade Aliens hat das ganze Konzept doch respektvoll und gelungen erweitert.

Den Schlussgag fand ich auch ziemlich vorhersehbar. Kennt man nicht zuletzt als Star-Trek-Next-Generation-Fan schon zur Genüge. :)

  • »Daniel Schweikert 1996« ist männlich

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868

Freitag, 16. Juni 2017, 12:46

Diva von 1981:

Es gäbe wohl kaum etwas Vergleichbares – und auch außerhalb der Diva-Welten ist die Filmographie von Beineix nahezu einzigartig, etwa im Rahmen der gelungenen Frankreich/Japan-Kombination in „Otaku“, oder aber den 80er Werken Roselyne, Betty und Mond in der Gosse.

Tauchet nun ein in die frühen 80er Jahre, ein grelles Frankreichparadies und ungemein reizvolle filmische Wunder.


Wir erleben eine Grundgeschichte, wie sie mit etwas Phantasie Parallelen zu „Blow Out“ aus eben demselben Jahr aufbaut, zumindest ob der Brisanz des aufgezeichneten Materials, ein Aspekt, auf welchem praktisch der gesamte Film fußt und aufbaut.

Die zuweilen etwas aufgesetzte „Coolness“ des Films, wird glücklicherweise von der einen oder anderen Träne der Melancholie ausgeglichen.

Eine Sonnenbrille sogleich als Spiegel fungierend, die Diva höchstpersönlich betritt die Bildfläche und unsere breite
Aufmerksamkeitsspanne, richtet sich ungeteilt auf das Geschehen, die musikalischen Klänge derweil ein klein wenig ähnlich wie jene im
DVD-Menü von „Der Leichenverbrenner“.

Die Stimme des zunächst etwas kleinlauten Protagonisten, klingt anfangs fast ein wenig wie jene von Trelkowsky aus „Der Mieter“, doch
konnte ich mich dieses Eindruckes zu Beginn nicht erwehren, merkte ich kurz darauf umso klarer, dass ich mich dieser Beobachtung sofort wieder entledigen kann, denn die Stimme ist völlig anders (Sven Hasper).

„Diva“ ist im wahrsten Sinne des Wortes äußerst opernhaft inszeniert und bedient sich somit einer gewissen Göttlichkeit, getränkt in
spürbare Wunder eines klangvollen Saales der musikalischen Kunst.

Nicht nur der Film ließ sich dabei stets Zeit, auch das Kino bedurfte einer gewissen Geduld und ließ dieses Kultdrama doch tatsächlich
ein Jahr (!) lang in den Lichtspielhäusern laufen.

Folget voller Detektivgeist den Schritten nun, Spannung sie möge erwachen, ein Film somit, der wie ich hoffe nicht nur und ausschließlich auf seinen Kultstatus reduziert wird, sondern wie ich glaube zahllose weitere Akzente zu setzen vermag.

Farblich recht aufdringlich anmutende 80er Jahre Klischees, betören des Menschen Sinne maßgeblich und erschaffen eine Atmosphäre, wie sie zwar einerseits in ihrer Ära festsitzt, andererseits aber auch gerade am heutigen Tage wieder Wohlbefinden hervorriefe.

Erblicket nun ein Mädchen leicht asiatischer, absolut atemberaubender Erhabenheit , eine Darstellerin wie aus einem Wunderreich entflohen, doch auch der Rest der Bestbesetzung des Films ist weitestgehend hochkarätig, belustigenderweise u.a. auch ein Darsteller aus der schwarzen Komödie „Delicatessen“.

Jules' bereits angesprochene neue Freundin (ehe die Diva „in sein Leben tritt“), ist fürwahr als die Verführung in Person zu bezeichnen.

Auch sie wird nun zur Zeugin der Schönheit des Tonbandes des Todes, Jules weist sie in seine musikalische Liebe ein und schämt sich nicht der Gefühle für die Diva, die ihn bewegen.

All dies gedreht vor malerischer 80er Jahre Kulisse , wie sie jede Tapete zu einem Aktbildnis des Farbenspiels werden lässt und auch die
Nächte zum leuchten brächte, in ihrer Liebe zur Palmenpracht sogar fast ein Stück weit an „Scarface“ erinnernd...

Ein gekonntes kinematographisches Spiel mit Silhouetten und Schatten, erotisiert und mystifiziert den Charakter von so manch magischer Szene...

Der Blickkontakte aufbauende Bezug zum Idole nun ins Leben gerufen, doch die Diva nunmehr mit rechtlichen Konsequenzen drohend, ehe sie realisiert, dass er nicht der sie zu verfolgen drohende Standardfan ist.

So beruhigt sie sich nun, sein Fandasein berührt die Diva sichtlich und nur selten hörte ihr jemand so schön zu, vollkommen gleich ob beim Musizieren oder ob nun im Rahmen einer Konversation.

Die Welt weiß zu erstrahlen in der seelischen Nähe zum Neonlichte, jede visuelle Pracht spiegelt sich im Sinne der Beleuchtung wider und doch verlöre sich die Situation zugleich in Angst - „es gibt kein unschuldiges Vergnügen“, sprach es aus jemandes Munde und stets
sei die Gefahr so spürbar wie nur irgend möglich, so unsanft wie nur denkbar...

Die Klischeegangster wirken in ihrer forschen Fahrweise, den Sonnenbrillen und den grimmigen Gesichtern nicht sonderlich „subtil“,
von Zurückhaltung und Unauffälligkeit kann offensichtlich nicht allzu sehr die Rede sein...

Die Soundeffekte werden bisweilen verzerrter, die Bilder entwickeln sich in eine dunklere Richtung und was diventechnisch anfangs noch in unerreichbarer Ferne lag, nämlich die Nähe und Kontaktaufnahme, läge nunmehr in einem uns wohlgesonnen seienden Bereiche, wie er uns der „Königin der Nacht“, der titelgebenden Diva eben, beiwohnen ließe, unendliche Weiten der Sehnsucht fänden ihre Erfüllung und die unterschiedlich in der Gesellschaft positionierten Menschen, ja zwischen ihnen scheinen keinerlei Welten und Trennwände mehr zu liegen...

Das Instrument spielt kongenial auf seiner Klaviatur und besingt uns mit seiner Kombination aus Klagelied und Freud', zudem wird der
Eiffelturm zu erblicken sein und erhabenen Glanzes bewundern wir eine Welt der zwitschernden Vögel, liebsamen Nachtaktivitäten und
unerwünschten Mordängste.

„Die Geduld des Büffels ist unermesslich, doch seine Gewalt auch“ - so die Drohung der „Gegenpartei“.

In der Zwischenzeit wächst und gedeiht das Vertrauensverhältnis zwischen der Diva und Jules, er ist der ihr zugetan seiende Zuhörer
und sie ihm mitnichten mehr abgeneigt, doch die Freude der liebreizenden Idylle, wird wahrhaftig von kurzer Dauer sein...

Sogleich erblicken wir , das Fanherz schlägt höher, denn Beineix und Becker scheinen in den 80er Jahren überhaupt recht ähnliche Ambitionen gehabt zu haben, einen Darsteller aus Élisa (1995, „deine Klamotten...“), immer wieder erkenne ich in französischen Filmen bekannte Gesichter aus einigen meiner Lieblingsfilme, die Kleinkunstwelt des dortigen Kinos ist nämlich deutlich angenehmer
„aufgeräumt“ und überschaubarer, weniger überlaufen, als die Blockbuster-Kultur in den United States.

Die divabedingte Lage und Situation sich fortan unschöner zuspitzend denn je, Jules weiß wohl mitnichten um seiner Gefahren, d.h. doch, nur eben nicht, inwieweit er sich ihr diesbezüglich öffnen kann, ob schon gänzlich, nur ein wenig oder gar überhaupt nicht...

In fast schon surreal zu erscheinen vermögenden Kameraeinstellungen, führt uns der Weg nun hinab, der Film weiß uns buchstäblich in die Tiefe zu jagen und dies einerseits mit Tempo und Elan, andererseits doch irgendwo im Kelche der Erinnerung und Kraft des Schwermütigen.

„Er hat mir gesagt, dass niemand ohne seine Erlaubnis stirbt“, Sätze wie diese prägen die schmunzelnd augenzwinkernden Bezüge zum
Gangsterfilm - die Wege führen uns aber auch in ernstere Bereiche, so nun in einen Pariser Prostitutionsring, handelnd mit Mädchen von
anderswo .

Das Werk lässt seine Wellen gewaltiger Furcht stilvoll und dennoch brutal und brachial auf uns einwirken, selbige schlagen fest zu und
entzögen sich nur selten des Unbehagens.

„Das Meer ist verschwunden“, philosophiert das bildschöne, nahezu perfekt synchronisierte und somit stimmlich unvergessliche Mädchen, „...der Strand wird einsam und verlassen sein, das Meer kehrt zurück … und wir haben Angst...“

Der Pfad führt unsereins zu einem (weitere Parallelen zu Elisa nebst Depardieu-Stimme eines bestimmten Nebenprotagonisten) Leuchtturme sowie zu einem Kamine des Feuers.

„Ich werde mich umbringen lassen“, der 'Humor' (sich umbringen zu lassen, anstatt es selbst zu erledigen, entspräche somit der
Luxusversion des menschlichen Ablebens?) ist zwar weniger schwarz als in „Betty – 37,2 Grad am Morgen“, aber dennoch durchaus
spürbar.

Der Film vereint zumeist Kontraste aller Art und dies sowohl auf musikalischer, als aber auch auf inszenatorischer Ebene, verbindet
Vergangenheit und Moderne auf kongeniale Weise und wird dabei niemals Gefahr laufen, sich in den sich selbst zelebrierenden Übertreibungen lächerlich zu machen, denn der Zauber bliebe stets erhalten.

Wir reisen nicht nur (um der Liebe willen und ob des Postkartencharakters?) durch Paris, sondern betreten, ähnlich wie
auch in „Mes nuits sont plus belles que vos jours“, obendrein auch gänzlich andere Gebiete , wie sie im gleichen Maße das
französische Kino repräsentieren.

Aus einem Fahrzeugradio hören wir in alsbaldiger Kürze einer „Geschichte“ zu, schenken ihr Aufmerksamkeit...

„Gute Fahrt“, fügt der Sprecher hinzu, doch allzu wohl kann uns gegenwärtig in keinster Weise zumute sein, oder ?

Angekommen nun in einer Lagerhalle der Kälte, wie sie trübseliger und farbloser ist als jene aus „Resevoir Dogs“, trüge sich sogleich
recht Unschönes zu...

Die musikalischen Darbietungen der Diva höchstselbst , sind zuweilen ähnlich brillant in den Film eingebettet, wie etwa die der jungen
Flötistin in „Exotica“ von The-sweet-hereafter-Regisseur Atom Egoyan, ebenfalls ein Meisterwerk mit einem ähnlich einfallsreichen
und magischen Filmcover wie „Diva“.

Abermals im Saale des Opernhauses angelangt, die Wahrheit ans Licht sie komme, doch mitnichten käme sie gleichsam einer Erlösung gleich – oder hoffentlich doch noch?

Fürwahr das Ende in Kitsch nun getränkt und gemessen am Reste des Films wenig einfallsreich, doch kann man es einem so hochattraktiven Film wie diesem verdenken...?


Diva ein Werk wie es französischer kaum ist möglich,

die Wunder zart die Liebe hart mit Ängsten gepaart,

ein Film zu uns zwar visuell sehr höflich,

doch hat er uns Unfrohes nicht gänzlich erspart...

Verweilen wir in seinem Schoße,

so weiblich der Zauber dieser faszinierenden Pracht,

ein Film bei welchem ich nicht erbose,

zu süßlich sein Grinsen mit welchem er lacht.

Die Stellungnahme nun vollendet,

fünf Sterne klar das Resultat,

ein Film er uns Signale sendet,

die Mädchen magisch und im Herzen zart.


Hab mir mal erlaubt, das Ganze aus Gründen der Lesbarkeit zu editieren. Ist immer schwierig bei reinkopierten Texten. Martin
"L oyalität bedeutet mir wesentlich mehr als Geld."

  • »Daniel Schweikert 1996« ist männlich

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869

Mittwoch, 28. Juni 2017, 18:35

Lasset
euch willkommen heißen, betretet den Seelentempel eines erhabenen,
ergreifenden, erschreckenden Films:


Samaritan
Girl von Kim Ki-duk.



Das
Werk beginnt in seiner ersten Einstellung zunächst einmal damit,
sich auf einem PC-Bildschirm abzuspielen, ehe wir in die eigentliche
kinematographische Hauptperspektive übergehen, uns in die Welt der
Charaktere geleiten lassen.


Die
Musik erweist sich beinahe als stumm, so leise legt sie ihren
Schleier der Zurückhaltung über unser Gehör.


Ein
Märchen, freilich jedoch ein Morbides, Erdrückendes, Entsetzliches,
vermag zu beginnen und Gestalt anzunehmen, erlebet eine Welt der
Rache, der Verletzlichkeit, doch zunächst betrachten wir das Leben
zweier Damen bildschönen Jungseins, engelsgleich fürwahr.


Beide
nur leider mangels finanzieller Zahlungskraft ein Geschäft ins Leben
rufend, um dessen Schattenseiten sie noch nicht wissen, von dessen
bedauerlicher Nebenwirkung sie offensichtlich noch nicht im
ausreichenden Maße unterrichtet zu sein scheinen … , aus Theorie
werde Praxis, eine von ihnen „zumindest „ ziert sich nicht, die
andere sieht sich erst später gezwungen, im wahrsten Sinne des
Wortes einzuspringen …


Wir
spüren ein Zittern, andererseits aber auch so poesievoll das
Schweben der sich bewegenden Blätter, bewundern eine Jahreszeit des
Windes und der Kälteentwicklung , wissen uns betören zu lassen,
...“beobachtet“ wird ein Teil der vorherigen Freundschaft dabei
nicht nur von uns, sondern auch von den Statuen im Parke.


Eines
der Mädchen wächst noch recht behütet und angenehm auf, allerdings
ausschließlich in der Obhut ihres Vaters, denn Mutter verstarb vor
langer Zeit, zudem wird sich die liebevolle Tochter von dieser
sanften Bindung zu ihrem Vater, beeinflusst von der sexuell bereits
sehr offenen Freundin, in Bälde ein Stück weit lösen, der
Teufelskreislauf begänne genau hier...


Ja
hier, wenn sich eine bestimmte (besagte) Geschäftsidee zu etwas
Unerträglichem zu verzweigen, falsch zu entwickeln beginnt
(gleichwohl es anfangs womöglich noch nicht so wirkt, so erscheinen
mag).


Etwa
eines (unvermeidbaren/fluchtbedingten) Suizidversuches wegen, gäbe
und gälte es auch weitere bedeutende und ernstzunehmende
Schwierigkeiten und Qualen zu erdulden, dies bezöge sich in gewisser
Weise auf beide Seiten, allesamt haben die Menschen Martyrien zu
bewältigen....


All
dies führt bezüglich des Prostitutionsringes nur noch mehr Gründe
zur Trauer herbei, riefe Angst, Bange, Ungewissheit hervor, werden
die drastischen Dienstleistungen doch nunmehr von der überlebt
habenden Lady, dieser Zartblüte , verlangt und infolgedessen auch
erbracht, jenem Mädchen also, dessen Vater alsbald die Ehre seiner
Tochter zu verteidigen gewillt ist...


Das
Lachen will dem dahingeschlichenen Leichname von so geringem und
niedrig gelegenen Alter zwar nicht vergehen, doch unsere Yeo, das
überlebt habende Geschöpf von Zaubergestalt, legt nun
verständlicherweise umso mehr Melancholie an den Tag, nachträglich
werden sozusagen die Rechnungen zahlloser Kunden beglichen und um
nicht weinend in zu vergießenden Tränen auszubrechen, obgleich die
Gründe sind vorhanden stets so sehr, wird ihrerseits nun gelacht, so
als sei die Welt von Heiterkeit geprägt, als habe niemand Grund
genug, genüsslich im Tode zu versinken.


Das
triste und von Hoffnungslosigkeit durchtränkte Blutbad, beschert uns
Unglück, die Welt singt ihr Lied des Bedauerns, jede Begegnung
bedarf des Sich-Zusammennehmens, um nicht völlig zusammenzubrechen ,
dergleichen toleriert unsere kühle Hochleistungsgesellschaft
schließlich nicht ansatzweise..., dort womöglich noch weniger...


Alles
wird nun etwas ganz und gar Persönliches sein, amüsant ist in
diesem tieftraurigen Film nahezu nichts, höchstens sind es die
vielen koreanischen Fahrzeuge, wie sie oftmals und immer wieder auf's
Neue recht dreist das design und Erscheinungsbild hiesiger Fahrzeuge
kopieren, ansonsten aber handelt es sich durch und durch um ein
erschütterndes, mitnichten zum Schmunzeln anregendes Drama,
vielleicht gar um ein Meisterwerk, wie es uns, so dachte und sprach
es aus mir, nachdenken, sinnieren, geistig agieren, auf einer jeden
Ebene erstarren ließe!


Aber
auch in Rage versetzt es uns ob der dunklen Tragik unserer
katastrophal kühlen, düst'ren Welt der Abneigungen und verlorenen
Träume.


Mehrere
potentielle Kunden, so frei seiend, für ihr liebes und doch so
seelenloses Geld entsprechende „Gegenleistungen“ in Anspruch zu
nehmen, sind nunmehr die zahlende Gemeinschaft von des Mannes
Töchterlein, die Schönheit selbigen Halbkindes scheint vom
Schicksale verwundet worden zu sein, darüber hinaus gar vergiftet
von den unliebsamen Stößen der Fremden, erste Ehre beschmutzt von
fehlender gegenseitiger Zuneigung und Einvernehmlichkeit, der Mangel
an Freud' allgegenwärtig – fairerweise sei gesagt, dass ich sah,
dass nicht jeder der Kunden sämtlicher Sympathien entbehrt, etwas
Nettes MUSS es irgendwo geben, um hier mal Egoyans „Chloe“ zu
zitieren.


Ein
Werk, wie es uns bezüglich der Begierden unserer selbst kritisch
werden lässt, ganze Welten umfasst und diese hinterfragt, ohne aber
zu sehr den mitnichten sonderlich empfehlenswerten moralischen
Zeigefinger zu bemühen.


Ein
Filmwunder, welches uns für Schmerz empfänglich sein, werden,
BLEIBEN lässt, auch beim nächsten Sprunge in die Ewigkeit, zeigt
ki-duk nie direkt auf den Kern des Geschehens, sondern besinnt sich
auf den Versuch, dafür Sorge zu tragen, dass sich unser geistiges
Auge geradezu totarbeitet vor lauter bitt'rem Schmerze, krümmt vor
Leid …


Besagtes
Blutbad inneren wie äußeren Angegriffenseins, ist nun zunehmend
wörtlich zu nehmen, der Trieb der Vergeltungsgelüste, ließ sich in
keinster Weise mehr auch nur im Geringsten ausbremsen, aufhalten,
entkräften.


Die
blättrige, bald blutgetränkte Pracht des Herbstes , geleitet uns in
den letztverbliebenen Erinnerungskelch der Offenbarung eines
Wintermärchens, das Horrortheater misst, bildlich gesprochen, den
Tränengewässern , dem Wasserfall dessen, was aus unserem Inneren
strömt, ähnlich viel Bedeutung bei, wie es auch das
Jahreszeiten-Drama „Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und
Frühling“ des selben Regisseurs für sich wird verbuchen können –
als Stärke , versteht sich.


War
es nun begrüßenswerte Befreiung, mehr noch, eine Form von
Vollendung für den Vater , oder bildet die erfolgte Eskalation doch
eher das, was anders ausgedrückt dem Untergange gleichkäme ?


Die
Situation sich zuspitzend seiner einzigen Tochter wegen und auch
Mutter, seine Gattin und Gemahlin, schlich schon vor langer Zeit
dahin, allerdings nicht im Sinne der Würde, sondern hinsichtlich der
rein körperlichen Verwesungsprozesse .


An
einem Orte gänzlich unberührter Natur, sind wir der Verstorbenen
nun nahe, stünden ihr näher als zuvor und auch anschließend,
künftighin wird der Ursprung allen Seins auch unserer Gepeinigten
wieder verbunden sein und auch dem verständlicherweise reichlich
ratlosen Vater, sind wir trotz seiner Ausbrüche irgendwo noch
wohlgesonnen, er ist nicht schuldfähig.


Doch
ist eine Versöhnung mit dem drastischen Schicksale überhaupt noch
im Entferntesten denkbar:


Nein,
genau genommen ist die Herbeiführung des Friedens vollkommen
ausgeschlossen!, Frieden untereinander durchaus, Friede sei aber nur
mit der Person, mit dem Leben selbst dagegen herrscht fortan Krieg.


Ein
Filmkunstwerk für die ganz und gar Sensiblen unter uns, schämet
euch nicht eurer Verletzlichkeit, so sehr uns die Gesellschaft auch
suggerieren mag, die Vermeidung dieser sei vonnöten – fürwahr,
all dies ist leichter gesagt als getan, mich in diesem Zusammenhange
hinter einer Rezension zu verstecken, ergäbe also keinen Sinn, nur
dann stiftet es einen, wenn mehr Menschen diese Meinung teilen, doch
aufgezwungen sei sie niemandes Wesen.


Ich
sehe etwas, das ich nicht verstehe und mache einen Film darüber, um
es zu begreifen“, beschreibt der auf dem Regiestuhle sitzende
Meister seine Intention hinter Werken wie diesen, Zartbitterfilmen
zwischen Zuneigung und Hass.


Rauschhaft
in alsbaldig naher Zukunft die letzten Bilder der Erkenntnis, dieser
Zauber, wenn sie des Alleinseins Trägerin wird sein …


Glockenschlag
des Abschieds endgültig erklungen, doch für den letzten Schritt des
Vaters, brächten wir beim besten Willen nicht mehr sonderlich viel
Verständnis auf, oder bildeten wir uns das soeben nur ein ?


Zum
Glücke, denn einige wenige warme Momente, so solle dem sein, werden
doch noch ins Leben gerufen, ehe der Vater sich gezwungen sähe,
unauffällig im Nebeldunste zu entschwinden, während die zarte Blüte
zum ersten Male aus ihrer Welt entkommt, gleichwohl sie auch diesmal
nicht gänzlich wird davonfahren können...



Halbe
Kinder halbe Damen,


Weg
des Armseins führt hinunter,


intim
nun fortan viele Dramen,


die
Welt sie wird wahrhaftig nicht bunter.



Allein
sogleich die Seel' zerrüttet,


in
Schutt und Asche des Lebens Wunder,


von
Zement und Hagel das Leben überschüttet,


der
Pfad des Daseins er ist kein Gesunder ...




Letzte
Strophe sie sei erhoben,


angestimmt
gesungen zudem erklungen,


der
Weg des Todes führe nach oben,


das
Schicksal sie zum Ende gezwungen.
"L oyalität bedeutet mir wesentlich mehr als Geld."

bonddd

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870

Dienstag, 4. Juli 2017, 15:37

How to get away with murder von Shonda Rhimes
Sie hat hochkarätige Serien wie "Grey's Anatomy" erfunden.
Mit ihrem neuen Serien-Hit "How to Get Away With Murder" übertrifft sich die mächtigste Frau im US-Fernsehen nun selbst und schenkt uns eine grandiose Antiheldin: sexy, clever, kantig.
Staffel 1 und 2 kann man in Deutschland bereits bei Netflix streamen. Staffel 3 leider noch nicht- ich weiß auch nicht wann es soweit ist, dass man sie hier legal anschauen kann.

871

Mittwoch, 16. August 2017, 16:53

Baby Driver (Edgar Wright, 2017)
Angenehm klassisch daherkommender Actionthriller mit spektakulären Verfolgungsjagden ohne jedes CGI-Brimborium. Findet man unter Sommer-Filmen mittlerweile eher selten. Dazu kommt eine hochkarätige Besetzung (Kevin Spacey, Jamie Foxx, John Hamm), die sich gegenseitig die Bälle zuspielen, und ein stylisher Soundtrack. Durch die sehr ausgefeilte und gelungene Action-Musik-Coreographie wirkt der Film manchmal wie ein Musical. Es gibt Anspielungen an die Klassiker des Genres, Ansel Elgort erinnert schon rein äußerlich ein bisschen an Ryan O'Neal in "Driver", aber dafür nicht die üblichen, nervigen Klischees.

Der Film macht sehr viel Spaß, auch wenn für mich letztlich noch ein gewisses Quäntchen zur überdurchschnittlichen Begeisterung fehlte, das zahlreiche Kritiker und andere Zuschauer wohl sehen. (IMDB-Bewertung immerhin 8,2) Vielleicht kommt das beim zweiten Sehen. Auf jeden Fall die Kinokarte wert. Ich hoffe ja, dass zusammen mit "Atomic Blonde" Actionthriller im klassischen Sinne mal wieder ein Comeback feiern.

872

Samstag, 16. September 2017, 01:03

Atomic Blonde (David Leitch, 2017)
Charlize Theron als britische Agentin Lorraine Broughton, die in das von Massenprotesten erschütterte Ost-Berlin im November 1989 geschickt wird, um eine geheimnisvolle Liste sicherzustellen, die den Kalten Krieg um weitere 40 Jahre verlängern könnte. Ihr Kontaktmann ist ein von James McAvoy gespielter zwielichtiger Schmuddeltyp.

Zeitweise hat man zwar den Eindruck, dass sich Regisseur Leitch nicht ganz zwischen knallharter Action im Stil der Bourne-Filme und augenzwinkernder, bunter Nostalgie-Revue à la Codename U.N.C.L.E. entscheiden konnte. Für ersteres wirkt das Setting manchmal zu comic-haft. Obwohl man sich bei der Ausstattung durchaus Mühe gegeben hat, wirkt das Berlin der End-Achtziger nie wirklich echt, und die Protagonisten eher wie Zeitreisende aus der Gegenwart. Vor allem musikalisch wird praktisch alles eingebaut, was irgendwie unter dem Label 80s-Kult läuft, nicht immer hundertprozentig passend. Für einen grellbunten Nostalgietrip sind dagegen die zahlreichen Todesszenen zu brutal. Größtenteils hat man eher den Eindruck eines Profikiller- denn eines Agentenmillieus.

Beeindruckend sind die Kampf- und Verfolgungsszenen aber schon sehr. Hier macht sich wohl bezahlt, dass David Leitch zuvor als Stuntman und -Koordinator gearbeitet hat. Vor allem der Kampf gegen mehrere KGB-Killer und Polizisten in einem Haus mit anschließender Verfolgungsjagd durch Ost-Berlin gegen Ende des Films ist grandios und atemberaubend choreographiert. Wo sich andere zeitgenössische Actionfilme in Schnitt-Orgien ergehen und die Übersichtlichkeit einem Gefühl von Orientierungslosigkeit opfern, sieht man hier erbitterte Zweikämpfe in langen ungeschnittenen Einstellungen. Den Darstellern und der Regie kann man hier nur Respekt zollen. Allen voran Charlize Theron, die sich wie ein Chuck Norris auf Speed durch den Film prügelt und tötet. In Bezug auf den Realismusgrad von Kämpfen einer zierlichen Frau gegen mehrere muskulöse Zweimetertypen sollte man wohl im Namen der Gleichberechtigung beide Augen zudrücken.

Wie in einigen Filmkritiken schon erwähnt, bleibt Theron jenseits der enormen physischen Präsenz ein bisschen zu kühl. McAvoy ist routiniert. Dazu kommt die seit Kingsmen obligatorische Sofia Boutella, bei der sich der Hype für mich nicht ganz erschließt. Und schließlich gibt es auch noch Till Schweiger als Uhrmacher.

Abzüglich dieser kleinen Mängel ist es aber schon ein Film, der echte Schauwerte bietet und Spaß macht. Für Fans von Agenten-Action ist er auf jeden Fall eine klare Empfehlung wert. Dann wohl eher als Bluray, da er aus den Kinos größtenteils schon wieder raus ist.

  • »Daniel Schweikert 1996« ist männlich

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873

Mittwoch, 4. Oktober 2017, 15:22

Nach Martins "Atomic Blonde" gleich noch ein weiterer Audi V8 Film: "Inland Empire" :)

Mangels Platz in 2 Beiträgen untergebracht


Welten der Zeiten sollten vergehen, lange schob
ich (aus diesem nachfolgenden Grunde beschränke ich mich auch eher in
aller erdenklichen Kürze darauf, die erzeugte Stimmung zu beschreiben,
eher weniger dagegen, beziehe ich mich auf die vermeintlichen Inhalte im
eigentlichen Sinne) das nicht erst unlängst vor meinem geistigen und
seelischen Auge zu schweben begonnen habende Filmprojekt „Inland Empire“
vor mir her, verängstigt gar, könne man solch sagenumwobenen
Labyrinthen des Denkens, Fühlens, Spürens, Erlebens und
schauspielerischen Strebens doch auf schriftlicher Ebene ohnehin nicht
ansatzweise gerecht werden, da es sich schlicht und ergreifend um einen
jener Filme handelt, die zu erleben es sich ausschließlich dann lohne,
widme man sich ihnen mit voller Hingabe und Aufopferungsbereitschaft –
eine schriftliche Aufarbeitung in Form einer „textlichen Darbietung“
wird somit zum Scheitern verurteilt sein, entspricht aber dennoch dem,
was ich sogleich anzustreben versuche.
Breiten wir uns nunmehr
gemeinsam auf dem Altar der Rätsel aus, lasset uns gedanklich
dahingleiten und unseren Weg im Nirgendwo finden …

Gigantomanisch
große Räumlichkeiten empfangen uns und erzeugen psychedelische
Empfindungen der Schwerelosigkeit, bizarre Farben betäuben das Innere
unserer Augen, absonderlich anmutende Hasenkostüme (!) bedecken die
Identität des weitestgehend unbekannten protagonisten-bezogenen Ichs und
ein fast gänzlich als stumm zu bezeichnender Beginn, läutet ein Werk
ein, welches wenige Dialoge, wie sie aber dafür umso komplexer
erscheinen, kaum verständlich vortrüge, uns geleitend in einen
entsetzlich langen Flur der Ungewissheit, surreale Winde spürend,
Gesichter und Visagen geschickt verdeckend , all dies zunächst nicht
ohne des Verzichtes auf Schwarzweißbilder zu entbehren, wir entledigen
uns somit zunächst nicht der Farblosigkeit.
Alles verschwommen,
erdentrückt sanftmütige Musik der Magie umschmiegt unser Gehör und
könnte man das Innerste einer Psyche mit kinematographischen Bildern
gleichsetzen, so sähen sie aller Vermutung nach zu urteilen so aus, wie
es die abstrakte Kunst Inland Empires darzustellen vermag.
Ein
Drehbuch im herkömmlichen Sinne einer entwirrten Struktur, lag dem
Meister diesmal mitnichten vor und auch seine eigene Federführung
scheint nicht die zu sein, unter welcher er im Vorfelde ein klares Netz
gewoben, böse Zungen würden gesponnen sagen, zu haben scheint, vielmehr
heißt es, schenkt man dem Gemunkel Glauben, er habe – und so fühlt sich
das Werk auch wahrlich an – erst am Tage des Drehens am Set Platz
genommen und sich in kreativen Gedankenfluten der Spontanität einen
Entwurf für die sogleich zu drehende Szene ausgemalt, ein ähnliches
Konzept soll im Übrigen auch einstmals in den 70er Jahren ein gewisser
Louis Malle verfolgt haben, „Black Moon“ der Titel des entsprechenden
Versuchsballons , dessen dichte Atmosphäre und vielschichtige Brillanz
bis zum heut'gen Tage ihresgleichen suchet und dabei nur bedingt fündig
wird.
Eine dunkel ausgeleuchtete Räumlichkeit werde nunmehr gefilmt
von unten, es werde Licht und das „Tier“ entschwinde, kleine Puzzleteile
und Versatzstücke schier unlösbarer Rätsel, werden fast unsichtbar
verstreut und verteilt wie kleine Brotkrümelchen, wie wir sie schlicht
und ergreifend nur unbewusst und unauffällig wahrzunehmen imstande sind,
wir wissen dass sie vorhanden sind, entdecken aber nicht den Ort ihres
Daseins.
„Ich verstehe vollkommen“, sprach es in -aus vorheriger
Sicht- nicht allzu ferner Bälde aus dem Munde eines einzelnen
Protagonisten – bedauerlich (oder doch erfreulich) nur, dass wir ihm in
keinster Weise werden beipflichten oder gar uneingeschränkt Zustimmung
schenken können, denn wir, die wir diesen Filmstrudel über uns ergehen
zu lassen bereit sind, uns sozusagen freiwillig als Opfer zur Verfügung
stellen, können eines garantiert nicht von uns behaupten:
„Wir verstünden vollkommen.“
Alles befände sich unter der Oberfläche, sei symbolisch, entfalte alptraumhafte und doppelt verzerrte Begierde...
Ein
Teppich so gigantisch groß wie das räumlich so breitflächige Herz der
Finsternis, eine 'neue Nachbarin' so aufdringlich und unangenehm wie
jene in einem Polanski-Film (oder siehe auch die mit derselben Dame
aufwartende Hommage in Form des Films „the glow“), sei es nun Ruth
Gordon in Rosemary's Baby, oder aber im Grunde genommen so gut wie JEDER
Nachbar aus „Der Mieter“, jawohl, werte Freunde der Nacht, es scheint
gar, als erhöbe sich ein Monsieur Zy allein für uns aus seinem Grabe, um
uns über die Schulter zu schauen und uns streng zu begleiten auf dem
Wege in das alles enthaltende Nichts, drum fühlet euch belästigt und
kommet euch vor, als bestünden bestmögliche Gründe zur Beunruhigung und
Besorgnis – und damit sollten Sie befürchtungstechnisch auch recht
behalten....

Stille der Vollkommenheit, bizarre Nahaufnahmen
scheinbar belangloser und doch irgendetwas enthaltender Gegenstände,
Visagen verzerrten Grauens, Film-im-Film-Szenarien , deren
Suggestivkraft uns in die bedrohlichen bis gar unendlich befremdlich
anmutenden Welten lockt, so wie etwa ein rotfarben kopfbedecktes Kind in
einen dunklen Wald läuft und sich auf direktem Wege in die Fänge des
faszinierten „Feindbildes“ begibt, sind es hier nun die „Erwachsenen“,
die wieder so ängstlich wie ein Kind im Walde sein dürfen, denn Angst
verbindet uns, ob Jung ob Alt, ob schön ob unschön, sie ist
allgegenwärtiger Bestandteil und in manchen Momenten sogar vonnöten...
Lasset euch in eine versponnene Vergangenheit geleiten und vergesset eine jede „logische“ Zeitrechnung um euch herum...
Verworrene
Inbegriffe der Irritation umkreisen unser Herz in Wonne und Schmerz und
entbehren aller Sonnenstrahlen , „...ich habe das Gefühl, wenn es 9:45
Uhr wäre, dächte ich, es sei Mitternacht“, uns gekonnt in die Irre und
Ratlosigkeit führende Zitate dieser Art etwa, zögen sich wie ein
blutunterlaufen-rötlicher Faden durch den gesamten Film und
ausschließlich die Figur von Laura Dern („Blue Velvet“) scheint unseren
reichlich verschachtelten Abwesenheitszustand des „klaren“ Bewusstseins
zu teilen .
Wir befinden uns in gewisser Weise inmitten Hollywoods ,
wohnen aber gleichsam der weltgewordenen Hölle bei, die
sonnendurchflutete Scheinwelt dortiger Lebens- und Filmexzesse ,
widerspricht in ihrer bemerkenswert bunt blendenden Erscheinung in
geradezu krassen Kontrasten der Dunkelheit, die zu verspüren unser
Auftrag sein wird, Jeremy Irons überzeugt Laura, wahrlich (zu!) tief in
das neue (innerhalb des Films Gestalt annehmende) Filmprojekt
einzutauchen, selbige Produktion stünde aber einer makabren
Vergangenheit wegen ohnehin schon unter einem etwas ungünstigen Stern
der Mysterien unaufgelöster Art …
Scheinwelten voller Glanz, geradezu
grotesk erscheinen sie ob der allgegenwärtigen Düsternis und angesichts
der bereits beschriebenen Dunkelheit, erst die Kontraste machen einen
Alptraum zu einem ebensolchen, sei es jener, zur morgendlichen Stund' zu
erwachen und zu bemerken, dass es „nur“ (wieso eigentlich nur?!, reicht
das etwa nicht?) ein Traum war, oder aber auch die bizarre Wandlung,
innerhalb des Traums sowohl Grässliches als auch Bildschönes zu erleben.
Blutunterlaufene
Wände, Lichter des Grauens, ein Meer aus Fragen, „grauenvoll ist eine
unzureichende Beschreibung“ - diese Worte beschreiben (übrigens durchaus
positiv), ironischerweise mal wieder innerhalb des Films selbst, jenes
Werk, welchem wir gebannt beiwohnen und folgen und welches sich über
sage und schreibe drei volle Stunden erstreckt.
Wie in „Mulholland
Drive“ sind es Filmszenen, gespielt IM Film, die alledem den in
verdoppelter Darstellungsweise in Erscheinung tretenden
Fiktionscharakter verleihen und angedeihen lassen, ohne aber die
schauspielerische Verbindung zum menschlichen Original der Figuren
abhanden kommen lassen zu müssen, hier nun jedoch scheinen diese so oft
meinerseits zur Erwähnung gebrachten Film-im-Film-Elemente eine
umfangreichere Sprache zu sprechen, denn waren es in Mulholland Drive
nur einzelne davon betroffene Szenen, verschmelzen wir hier nun
regelrecht DAUERHAFT mit dem „Gespielten“...
Einem extrem langsamem
und grenzenlos ausgedehnten Aufbau geben wir uns gefühlte Monate über
hin – und doch möchte ich keine einzige Minute missen müssen, denn das
Märchen der verfluchten Vernichtung geleitet uns spannender Erzählung in
die Tiefen der (Todes-)Vorgeschichte des unvollendeten Filmprojektes,
gnadenlos verzerrte Nahaufnahmen im „Leichenverbrenner“-Stil (1968)
untermauern berechtigte Ängste Ihrer- und meinerseits und treffen uns
inmitten des Kerns unserer selbst, prallen weder ab, noch verlassen sie
uns umgehend, sondern sie bilden einen lebhaften Teil von uns, wirken
nach, vergraben sich tief in unserem Unterbewusstsein und residieren
dort mit dem größten Vergnügen.
Wie so oft, spüren wir Davids
herzergreifend stark ausgeprägte Liebe zum ehemaligen Hollywood, „there
is a kind of creativity in the air“, sagte er einstmals über Los Angeles
und spürt den dortzulande allgegenwärtigen Drang nach filmischer
Umsetzung von Ideen – völlig unabhängig davon, ob dies in Hollywood denn
überhaupt regelmäßig gelänge, bedauerlicherweise muss man David
diesbezüglich nämlich als einsames Ausnahmetalent wahrnehmen, oder aber
die Studios lassen dergleichen nicht bei jedem Visionär auch wirklich zu
und beschneiden und berauben die Denker ihrer Ideen sowie innerer
Konzepte…
„Es gibt ein Meer der Möglichkeiten“ - diesen Satz können
wir zweifelsohne auf alle interpretatorischen Zusammenhänge des
entsprechenden Films übertragen und kämen dennoch zu dem Resultat, dass
es gar mehr ist als ein Meer, denn wo das Meer noch Grenzen kennt, diese
in sich trüge und eines Tages endet, etwa am Strande, sind den
Interpretationsversuchen Inland Empires wahrlich KEINERLEI Grenzen
gesetzt, denn nichts ist nicht abstrakt, nichts entbehrt der Verwirrung,
nirgends finden wir einen Anhaltspunkt, der uns in eine auch nur
ansatzweise sichtbar deutliche Richtung führet, von glas- und
kristallklaren Erkenntnissen und unbestritten unmissverständlichen
Erleuchtungen ganz zu schweigen, denn solche bedürfen gar nicht erst des
Gesuchtwerdens, würden Sie doch eines Tages verzweifelt aufgeben und
gäben sich geschlagen, auch nur dem Hauche einer Spur zu begegnen...
„Manchmal sagen die Leute nicht das, was sie meinen – SIE haben sich dessen den ganzen Abend über schuldig gemacht.“
Ein
einziges bizarres Schauergemälde, dieser Film der feenhaften Schönheit
einerseits, der todesgleichen Ungewissheit auf der anderen Seite des
Lebensufers , ist eine ERFAHRUNG.
Der schwülstig-unnatürlich
inszenierte Kitsch einiger weniger Passagen, wie sie aber zugleich auch,
wer wisse das schon, den Film des Films abbilden könnten, liegt
eigentlich (ähnlich wie etwa bei De Palma, der mit solchen Stilmitteln
ebenfalls nur „spielen“ möchte) unter dem filmischen Niveau eines
solchen Meisterregisseurs , doch wie beispielsweise auch bei Polanskis
bereits erwähntem „Rosemary's Baby“ die idyllische Seifenoper-Fassade
nur mörderisches Mittel zum Zweck sein möchte und somit der Drastik umso
dienlicher ist, bedient sich auch Lynch solcher Albernheiten , um die
sich aufbauenden Arabesken atemberaubenden inneren Irrsinns intelligent
in ihrer Wirkungsentfaltung zu fördern und damit zusätzliches, sonst
abhanden zu kommen drohendes, Potential freizusetzen...
Kronleuchter
chronischen Unheimlicherscheinens , ein Kaminfeuer erwärmter Romantik im
Raume der Dunkelheit, unser Universum als verworrenes Schattenreich
jenseits irdischer Daseinspflicht.
Es ist nichts Geringeres als der
lange und schmale Flur eines lachenden und sich arrogant über unser
Wissen hinwegsetzenden Alptraums, getränkt in kryptische Botschaften und
Schriftzeichen der mitnichten zu entschlüsseln möglich seienden Art...
Ähnlich
dem besagten „Mieter“ (1976) sehen und erblicken wir einen Mann hinter
einer Art Fenster und stellen uns abermals, stellvertretend natürlich
auch für eine jede andere zu verarbeitende Szene, die Frage, wo uns die
erste so mühselige Filmstunde denn nun hat hinführen wollen, alles
begann vergleichsweise zurückhaltend, sich ausschließlich im Kopfe
abspielend, von hier und nun an jedoch, präsentiert sich Inland Empire
in einigen visuellen Einfällen und Untermalungskünsten fast verstörender
als jedes nebeldurchtränkte Silent-Hill-Abenteuer interaktiver Art,
Herz der Finsternis oh öffne die Pforten der Nacht und entführe Sie und
mich, VERführe uns auf so komplizierte Art und Weise wie nur irgend
möglich, äußerst neugierig warten wir schließlich auf die inexistente
Auflösung.
„Schau uns an und sag uns, ob du uns früher schon einmal gekannt hast. - Es gab einen Mann, der wusste es einst ...“
Wusste was?
Wer ist er?
Wer
sind sie alle, diese Damen, deren Stimmen dann ertönen, wenn die
Schatten der Vergangenheit das Herz der Gegenwart überdecken?
Die
Träne der sichtlich vorhandenen Verzweiflungszustände beeinflusst
werdenden Bewusstseins, lässt unser Auge in ihnen schwimmen, das
Schachspiel der Symbolik ist derart „strange“, dass dieses Wort auch im
Gesang erklang und das Lied entsprechend an- (und darauf ab-)gestimmt
worden ist, schon der Trailer wird mithilfe selbiger Klänge angenehm
„versüßt“.
Nahezu nacktes Fleisch nunmehr dem Furchtsinne des
unendlich langen Winters ausgedehnter Nächte ausgesetzt..., abermals
begeben wir uns in das farblose Schwarzweißkostüm und der Film führt uns
(in einen jeden Zündmechanismus psychischer Ausbrüche beschleunigt
herbeiführender Form) in die Welten des keineswegs vorhandenen Frohsinns
ein – nicht dass er zuvor vorhanden gewesen wäre...
Ein
beängstigendes Anwesen befindet sich auf der anderen Seite unseres
Sichtfeldes , Lynch feiert und zelebriert die erreichten 30
(Bestands-)Jahres besagten Mieters und verliert sich in Anspielungen,
versteckt platzierten Kleinigkeiten und nicht zuletzt, wie so oft, einem
ähnlichen Aufbau brillanter Tricks und Spielereien , stets im Dienste
dessen, unserem Unterbewusstsein fast kindlich freche Streiche zu
spielen, herrlich erfrischend, überraschend, überragend, überwältigend,
überlebensgroß, kurz: ein Überfilm .
Zahlreich vorhandene (durchaus
viele an der Zahl) Szenen wirken in ihrer eigentlichen und auf den
ersten Blick gar noch so unauffällig unspektakulären Art außerordentlich
normal und sehr alltäglich, doch gerade und insbesondere diesen
vermeintlich psychologiefernen Sequenzen wohnt ein erschreckender
Endzustand inne, die menschliche Gestalt angenommen habenden Figuren der
Andersartigkeit, agieren in solch einer sagenhaft-selbstverständlichen
Perfektionsmotorik (vor allen Dingen bezöge sich diese These auf die
„Hasen“), dass die scheinbar frei von jedem spannenden Geschehen
seienden Szenen oftmals jene sind, deren im Detail verborgene Bild- und
Aktionsgewalt uns besonders zu prägen und in Erinnerung zu bleiben
vermag, geruht doch ein Werk wie dieses niemals eine geruhsame Nacht ins
Leben zu rufen, sondern die innere Stimme selbst dann noch die Rede
fortsetzen zu lassen, wenn alles andere in uns bereits in den Schlaf zu
fallen drohet und das ursprüngliche Podium nicht mehr sicher steht.
Alte
und reichlich betagte Möbelstücke dominieren den Braunstich des Bildes,
nie wissen wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, ob wir
im Film des Films des Films (…) eine Szene sehen, oder ob ein gewisser
nicht näher zu erläuternder (da inhaltlich unbekannter) Teil der
sogenannten und vor allen Dingen SCHEINBAREN „Realität“ abgebildet
wird...
...und in immer wiederkehrender Neuerscheinung erleben wir
diesen stummfilmartig irreal beleuchteten und kunstvoll von A bis Z
durchkolorierten Raum der „häslichen“ (nicht hässlichen, gemeint ist
genau das, was gesagt wird: häslichen) Welt, mündend in Exzesse des
katastrophal ungesunden Klanggewitters …
Blutrote Vorhänge der
sonderbaren Schönheit entwickeln das Fiktionspotential einer Bühne und
doch wirkt deren Aufführung, für welche sie genutzt wird, in ihren
gnadenlosen Entfaltungen allen Unheils ungemein real und „greifbar“,
nicht zu begreifen sei dagegen alles andere...
Rätselhaft
angstdurchtränkte Erzählungen Lauras führen, d.h. in diesem Falle gar in
ordinär-gleichgültig vorgetragen werdender Form, u.a. in die Abgründe
einiger traumatischer Vergangenheitsgeschehnisse , entfachen dürfen sie
nunmehr, diese geradezu grotesken Schwankungsprozesse , angesiedelt
irgendwo zwischen dem Monde der Stille und der fast lächerlichen
Frohsinnsinszenierung Hollywoods, in welcher alles zum Geschäfte
verkommt....
Alles ist entschwunden, nichts lebet mehr, der letzte
Tanz bittet um unsere Anwesenheit, die Todesglocke läutet zum letzten
und zugleich ersten Male, ein Telefon es klingelt in „Audition“-gleicher
Intensität, Gelächter löst sich in Ratlosigkeit auf, Rätsel umkreisen
rabiate Geschehnisse des Brachialen und betören die Wange des Todes mit
dem letztverblieb'nen Kusse der Zuneigungsbereitschaft ...
Es handelt
sich um einen Film der Orientierungslosigkeit , Lynchs einziger
Orientierungspunkt scheint jener gewesen zu sein, einer
Orientierungsfindung im eigentlichen Sinne grinsend Adieu zu sagen und
eine solche somit gar nicht erst anzustreben, denn alles was sein
Handlungskompass wissen möge, sei doch bitte in erster Linie, dass eine
Vergangenheit grundsätzlich nicht gänzlich abgeschlossen-, eine
Gegenwart noch nicht ganz angebrochen- und eine Zukunft ohnehin VÖLLIG
UNGEWISS sein müsse, groteske Gesichter sie schweben aus allen
erdenklichen Richtungen ruhig und doch stürmisch herbei, erzeugen einen
menschlichen und fleischgewordenen Norden der Kälte und zeigen hinauf
zum Himmel, alle der Deutung wegen von Bedeutung seienden W-Fragen
geloben feierlich, bis ans Ende aller Tage unbeantwortet zu bleiben.
Rostige
und unschön anoxidierte Türen uns in Schächte, Nächte und innere
Gefechte führend, Unbehagen wir es spürend, Wege dem Jenseitse so nahe …
Ein
Ausgangspunkt der erzählerischen Wiedergabe all dessen, was wir soeben
aufnahmen im Soge der Nacht, bliebe als solcher so unklar und
unkenntlich wie ein gänzlich ausradiertes Bild, mehrere visuelle
Schichten dringen gleichzeitig in uns ein und prasseln wie Hagel
darnieder, Schatten folgen der Fährte unseres Bewusstseins, „schon
komisch die Menschen, jeder hat da so seine Besonderheiten, lebt auf
seine Art“, sprach es aus dem Munde der Dame in Blond und in der Tat:
Wenn
es einen einzigen Film gäbe, der er es sich gestatte und erlaube, er
selbst zu sein und rücksichtslos sein undurchsichtiges Programm zu
verfolgen, so sei und wäre es dieser!
Des nächtens der Rausch des Nichts und nicht vorhandenen Lichts..., diese Abwesenheit allen Seins.
Das
Nichts ist eine nichtige und gleichsam doch so wichtige Illusion – es
gab nie ein Nichts, auch gegenwärtig existiert es „mitnichten“ und
künftighin wird es ebenso inexistent sein wie zuvor, denn in jedem
Nichts steckt ein Etwas und in jedem Etwas leider auch ein Nichts, nur
eben nicht das Nichts im eigentlichen Sinne des Nichts, sondern eher ein
Nichts, welches es nicht mit jenem Nichts zu vergleichen gälte, welches
es nicht gibt...
Stimmungen benötigen keine Inhalte, sie SIND die
Inhalte, personifizieren sie gar womöglich und erzeugen aus einem
„Nichts“, da hätten wir auch schon wieder dieses nicht uninteressante
Wort, eine Kette der Ereignisse , Gefühle und schwebenden
Illusionskräfte.
"L oyalität bedeutet mir wesentlich mehr als Geld."

  • »Daniel Schweikert 1996« ist männlich

Beiträge: 1 871

Registrierungsdatum: 18. Februar 2014

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874

Mittwoch, 4. Oktober 2017, 15:24

Es naht sogleich eine in keinster Weise hörbare ,
gar unendlich laufruhige Audi-V8-Fahrt im finst'ren Walde, der Weg als
einzige Lichtquelle, um uns herum nur Gottes Natur und Teufels Schatten,
hier und im endlichen Zuge dieser Szene, wird erstmals wortwörtlich auf
„Inland Empire“ hingewiesen, worin auch immer im Detail der Angstmord
stecke und in welchen kryptischen Wundern sich all dies auch ergründen
mag, nun, uns bleibt wohl kaum etwas anderes übrig, als dem Wege zum
Fragezeichen zu folgen, der er uns alles mit einem Schulterzucken
versehen lässt, denn das (ohnehin überschätzte) Wissen im ursprünglich
erdachten Sinn einer klaren Definition, suchen wir nach wie vor
vergebens, befinden uns weiterhin im vollen Gange des Darauf-Hinstrebens
und gedanklichen Arbeitens.
Wabernde Nebelschwaden poetisieren das
sowieso schon so sagenhafte Geschehen, die dezente Sonne überblendet die
klavierdunkle Lackschicht der leise dahingleitenden und schweren
250-PS-Limousine nur sehr leicht und der Tag scheint geradezu erfreut zu
sein, dem Untergange geweiht sein zu dürfen, die Ehre und das Vergnügen
sind, liegen und schweben ganz auf unserer Seite.
Töne der Erleuchtung oder eher welche der verstörenden Zerstörungszeremonie ?!
Was um alles in der Welt will uns das Werk mitteilen?
Mitternachtskerze
sie brennt (uns auf der Seele), Nachtgedicht du erklingst , du singst,
du ringst um Ehre erhabener Stundengunst .
Die bereits beschriebenen
Bewegungsabsurditäten der kostümierten und motorisch unnatürlich perfekt
agierenden Figuren finden abermals Verwunderung in unserer Seele vor,
fast fremdgesteuert erscheint ihre auf Roboterkommando zu reagieren
scheinende Welt präziser und exakt nach Plan ablaufender Vorgänge, das
Licht entweiche nun und lüde damit ein jenes Gewitter der langsamen und
ironischerweise zugleich so schnellen Schnitte ein, das unsanfte
Unwetter also, das wir alle befürchten, uns des Seelensturms wegen aber
gleichsam erhoffen, denn Inland Empire nimmt an Fahrt auf, beginnt
endlich mit dem, was ich schon so lange versprach:
Gnadenlos zu sein!
Ein
nächtlicher Neon- und Lichterdschungel (man könnte glauben, man befände
sich in Las Vegas, dort gäbe es für diesen herrlichen Unfug und
dergleichen mehr gar ein eigenes Museum …) prägt maßgeblich unsere
alsbaldig noch deutlich verstärkt werdende Orientierungslosigkeit,
gleichwohl wir uns an selbige langsam gewöhnt haben dürften, die dritte
und letzte Filmstunde finaler Verluste und Verzweiflung, wird in Kürze
voll im (vierten) Gange sein und fährt leise durch den vergangenen und
nächtlichen Winterschlaf, alles gleicht plötzlich einem früheren Leben,
kann es solch finstere Überbleibsel aus einer Zeit vor dem Hier und
Jetzt doch unter mysteriösen Umständen durchaus geben, oder?
Die
Kutsche als Relikt der Vergangenheit, sie führt uns durch das Herz der
Schmerzen und durch die Seele der Menschheit, wie aus dem Nichtse heraus
taucht die unfrohe und mit nur wenigen Freuden zu verkündende Botschaft
auf, Lauras Sohn sei tot und weile dementsprechend nicht mehr unter den
Lebenden, sondern unter den Engeln, demnach den Schwebenden.
Lichter...,
ein filmischer Drogenrausch der Bilder...
„Hey
Lady, Sie sterben“, in völlig deplatzierter Selbstverständlichkeit,
wird uns das Unvermeidbare und Unumgängliche (obgleich ich ja nicht an
negative Folgen nach dem Tode glaube, sondern eher daran, dass die
eigentliche Herausforderung der Unmöglichkeit im Leben läge) wie
selbstredend vorgetragen, selbst direkt neben den Sternen Hollywoods,
sind es nicht die sonnigen und wonnigen Scheineffekte, die das Geschehen
dominieren, sondern die Sterbenden und Dahinschleichenden werfen ihren
leblosen Schatten über eine Welt, deren illusorische Inszenierung
endgültig durchbrochen wird.
Es herrschen stets:
Angstvolles Leid,
resultierend aus entsetzlichem Elend; Endzeitszenarien innerer
Unvollkommenheit sowie nicht zuletzt die obskuren Wunder verwundbarer
Menschen in einer Welt, wie sie sichtlich Spaß daran zu haben scheint,
ihren Dolchstoß vergnüglich in die unseren Richtungen zu lenken.
Ein
asiatisches Mädchen süßlich-niedlichen Blickes, wird in alsbaldiger
Zukunft zur Zeugin einer Erleuchtungsflamme , Inland Empire ist der
Schlüssel zum Unglück, oder befinden wir uns, was sich zu späterer
Stund' bewahrheiten soll, auch hier „nur“ in einer Filmszene, welche vom
Engel der Furcht zum Leben erweckt wird, ja gar erkoren zum
unsterblichen Krebsgeschwür in der Seele unserer selbst?
Schlafwandlerische
Inszenierung am Rande eines jeden menschlichen Bewusstseins, bizarres
Mitternachtskino im Geiste der Unklarheit und im Dienste der
Rauschzustände, Laura alsbald allein im Kinosaale , ja gar so
entgeistert betrachtet sie ihr Spiel auf der vor schauspielerischer
Kraft glühenden Leinwand – wie auch wir in der (tatsächlichen) Leinwand
unseren liebsten Feind gefunden haben dürften, denn Inland Empire ist
das schmackhafteste Gift, welches sich ihr Inneres nur vorzustellen
vermag....

Das blaue Leuchten trägt uns von Visionserscheinung zu
visionärer Vollkommenheit, ebendiese Visionen wachsen, gedeihen,
breiten ihre Flügel aus und mögen weiß Gott nicht dieser beraubt werden,
zumal ... flögen sie nicht mehr, wären sie nicht mehr sie selbst.
Tief
grübe sich unser Irrlicht von Ich durch den klaustrophobisch engen und
pechschwarzen Tunnel des Todes, unaufhaltsam beginnt der Film an heilig
heller Fahrt (abermals wohlgemerkt) aufzunehmen, alles flimmert sich zu
Tode, nichts wirkt „gesund“, Grenzen gibt es nicht die leisesten , es
folgen kaum mehr hörbare Gesänge und Klänge der „Fröhlichkeit“ und eine
gewisse Nastassja Kinski, auch noch im Jahre 2006 eine Augenweide, wie
sie in Bälde einen Gastauftritt ihr Eigen wird nennen dürfen, bittet Sie
anmutig zum Tanze der Vollendung .
Zuvor kehren einige vorherige
Bilderfluten des Films, bedeckt von einem sanften Schleier der
Erinnerungskraft , zurück zu Ihnen ins Gehirn, zudem scheinen wir ein
paar Damen zu erblicken, die an frühere „Lynch-Ladies“ erinnern, oder in
einem Falle gar eine solche SEIN könnten, öffnet euch noch ein letztes
Mal einem Filme, dessen Brillanz Berge versetzt, spüret einmal mehr,
weshalb es mir ein Anliegen war, all dies ohne Rücksicht auf Verluste
niederzuschreiben, lange Rede, kurzer Sinn:
Tretet ein in die hübsch eingerichteten Grabkammern des Jenseits!

Perlen funkeln im Dunkelreiche,
Dame du bist den Weg gegangen,
ich nicht mehr von des Filmes Seite weiche,
auf dass zum Ziele wir gelangen.

Was Lynch uns bot,
was Inland uns erbracht,
was im Empire erschien so blutartig rot,
das war der Film dessen Schicksal erwacht, entfacht und über unsere Leiden lacht, uns sprachlos hat gemacht !
"L oyalität bedeutet mir wesentlich mehr als Geld."

DrShatterhand

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875

Mittwoch, 4. Oktober 2017, 17:43

Horror of Dracula (1958 )

Der erste Dracula-Film, den die Hammer-Studios ab 1958 drehten und aus dem Christopher Lee und Peter Cushing herausstechen. Der Film basiert auf Bram Stokers berühmtem Roman, folgt ihm aber (natürlich) nicht genau.

Jonathan Harker reist nach Transsilvanien, wo er sich im Schloss des Grafen Dracula als Bibliothekar beworben hat. Doch tatsächlich ist Harker ein Vampirjäger, der sich vorgenommen hat, Dracula zu vernichten. In der Bibliothek wird Harker von einer Vampirfrau attackiert, die vorgibt, eine Gefangene des Grafen zu sein. Doch Dracula selbst kommt dazwischen. Mit einer Handbewegung schleudert er die Frau quer durch den Raum und schlägt Jonathan bewusstlos. Als er wieder zu sich kommt, bemerkt er, daß er selbst von einem Vampir gebissen wurde. Um die ihm verbleibende Zeit zu nutzen, sucht er die Gruft auf, wo Dracula und die Vampirfrau schlafen. Zunächst pfählt er die Vampirfrau, aber als er sich Draculas Sarg zuwendet, ist dieser bereits erwacht und macht ihn endgültig zu seinesgleichen. Als Harkers Partner, Doktor van Helsing, der seit Längerem nichts mehr von ihm gehört hat, selbst das Schloss besucht, kann er nur noch Jonathan erlösen. Währenddessen reist Dracula los, um Jonathans Verlobte Lucy Holmwood zu finden und Rache zu nehmen.

Dr. van Helsing besucht Lucys Familie, um ihr sein Beileid zu Jonathans Tod auszusprechen und erfährt dabei, dass es seit einigen Tagen mit ihrem Gesundheitszustand immer weiter bergab geht. Van Helsing schöpft Verdacht und empfiehlt, das Zimmer mit Knoblauch zu drapieren, doch Lucys Bruder Arthur hält nichts von van Helsings Vorgehen und weist den Doktor ab. Erst als Lucy stirbt und als blutsaugende Wiedergängerin aufersteht, sieht er ein, womit er es zu tun hat. Gemeinsam pfählen sie sie und schenken ihr damit Frieden.

Währenddessen ist Mina, Arthurs Frau, unter Draculas Einfluss geraten. Arthur und van Helsing versuchen, Mina durch Beobachten ihres Zimmers vom Garten aus zu beschützen. Dracula gelingt es dennoch, Mina ein zweites Mal zu beißen. Durch eine Blutspende gelingt es den beiden, den Tod Minas zu verhindern. Dabei finden sie heraus, dass sich Draculas Versteck im Keller des Hauses der Holmwoods befindet.

Nachdem Draculas Versteck gefunden worden ist, entführt er Mina und flüchtet zurück auf sein Schloss. Dort versucht er sich in den Gewölben unter dem Schloss zu verbergen, wird jedoch von van Helsing aufgespürt, und es kommt zum Kampf, bei dem van Helsing zu unterliegen scheint. Im letzten Augenblick bemerkt er die aufgehende Sonne, die durch einen Spalt in den schweren Vorhängen scheint. Er reißt die Vorhänge herunter und hält Dracula mit einem Kruzifix, das er aus zwei Kerzenständern formt, im hellen Sonnenlicht, wo er schließlich vergeht. Nur seine Kleidung, sein Siegelring und etwas Asche bleiben zurück.

Obwohl der Film schon fast 60 Jahre alt ist, nimmt er einen immer noch gefangen. Er ist durchaus spannend und hat auch eine gruselige Atmosphäre. Peter Cushing und Christopher Lee passen gut zusammen (obwohl man beide zusammen nur im Endkampf sieht) und verfügen beide über eine gute Ausstrahlung.

Bemerkenswert ist auch, daß es im Film viele Inschriften auf Deutsch gibt. So ist der Brief Draculas im Schloss, der Harker hinterlegt wird, auf Deutsch gehalten, ebenso ist auf dem Schild an einem Bestattungsinstitut „Beerdigungs-Institut J. Marx“ zu lesen. Eigentlich hätte ich erwartet, daß dies eine nachträgliche Änderung für die deutsche Version ist, aber ich war überrascht, das in der englischen Originalversion so vorzufinden.
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876

Donnerstag, 5. Oktober 2017, 17:32

Dracula: Prince of Darkness (1966)

Dieser Film folgte "Horror of Dracula" bzw. setzt an dessen Ende an. Um dies zu verdeutlichen, lässt man ihn mit dem Endkampf zwischen Dr. van Helsing und Graf Dracula beginnen. Diese Szenen, die man aus "Horror of Dracula" übernommen hat, wurden durch einen Kommentar aus dem Off ergänzt.

Der Film an sich beginnt mit einer Sequenz, in der eine Gruppe von Männern eine tote Frau “erlösen” will, weil sie sie für einen Vampir hält. Father Sandor (Andrew Kier) kommt dazu und verhindert dies. Er kann nicht glauben, daß die Einwohner der Gegend immer noch an Vampire glauben, da Dracula vor zehn Jahren vernichtet wurde. Später besucht Sandor einen Pub, in dem vier englische Touristen sind (zwei Ehepaare – Alan und Helen, Charles und Diana); er mahnt sie, nicht nach Karlsbad zu reisen, was sie nach einer Diskussion aber nicht beachten.

Bei Anbruch der Nacht werden sie von einem ängstlichen Kutscher auf freiem Feld aus ihrer Kutsche geworfen; sie befinden sich in der Nähe eines Schlosses. Die Touristen fragen den Kutscher, was es mit dem Schloss auf sich hat. Der Kutscher gibt jedoch vor, keine Ahnung zu haben, wovon die Touristen reden, und haut ab (großartige Szene: Das Schloss ist überhaupt nicht zu übersehen, aber der Kutscher guckt angestrengt weg und fragt: „What castle?“). Eine andere Kutsche (ohne Kutscher) kommt und bringt die vier zum Schloss, wo sie einen gedeckten Tisch vorfinden. Im Schloss scheint nur Klove zu leben, der im Auftrage seines verstorbenen Herrn, Graf Dracula, dafür sorgt, daß das Schloss immer Gäste beherbergen kann. Nach einem Abendessen begeben sich die Touristen zu Bett.

In der Nacht wacht Alan von einem Geräusch auf, dem er nachgeht. Er findet einen Kellerraum mit einem Sarg vor; das ist dann auch das letzte was er sieht, denn Klove tötet ihn hinterrücks und benutzt sein Blut, um Dracula wieder zum Leben zu erwecken. Als das getan ist, lockt Klove Helen in den Keller; Dracula erwartet sie bereits und macht sie zu einem Vampir.

Diese Sequenz ist die erste, in der Dracula erscheint, bis dahin ist etwa die Hälfte des Films vorbei, doch langweilig ist er bis dahin gar nicht. Den Produzenten gelingt es, eine Atmosphäre aufzubauen, der der Zuschauer folgt und die neugierig darauf macht, was da bloß vor sich geht und was als nächstes geschieht.

Charles und Diana wundern sich über das spurlose Verschwinden der beiden anderen; Charles bringt Diana zu einer Hütte außerhalb des Schlosses und sucht selber im Schloss nach den anderen. Klove gelingt es aber, Diana ins Schloss zurückzubringen. Charles findet Alans Leiche und sieht sich dann Dracula gegenüber. Diana trifft auf die vampirisierte Helen du wird von ihr angegriffen. Dracula kommt aber hinzu und verjagt Helen. Charles kämpft gegen Dracula, und Diana und er merken, daß sie sich Dracula und Helen mit einem Kreuz vom Leib halten können; sie können in einer Kutsche fliehen, doch nach einem Unfall muss Charles seine Frau tragen. Nach langem Marsch trifft er auf Father Sandor, der die beiden mit in sein Kloster nimmt.

Klove fährt am Kloster vor und bittet um Herberge; in seinem Planwagen hat er Dracula und Helen in zwei Särgen dabei. Klove muss jedoch draußen bleiben. Dracula hat aber Glück; im Kloster lebt Ludwig, ein Verwirrter. Er reagiert auf einen geistigen Befehl Draculas und gewährt ihm Einlass. Diana fällt auf Helen herein, die vorgibt, daß sie Dracula entfliehen konnte, und darum bittet, hereinkommen zu dürfen. Als sie drin ist, beißt sie Diana in einen Arm. Erneut fährt Dracula Helen in die Parade, denn er will Helen für sich selber haben. Charles und Father Sandor kommen jedoch rechtzeitig dazu und vertreiben Helen und Dracula; es gelingt Sandor, Diana zu retten.

Father Sandor spürt Helen auf und pfählt sie, nachdem er Kruzifixe in die Särge in Kloves Planwagen gelegt hat. Ludwig lockt jedoch Diana in eine Falle, und sie gerät in Draculas Hände. Klove fährt mit Dracula und Diana im Planwagen zurück zu Draculas Schloss (Ich vermute mal, er hat die Kruzifixe vorher gefunden und beseitigt.). Charles und Sandor nehmen die Verfolgung auf; es gelingt ihnen, Klove den Weg abzuschneiden; Charles erschießt Klove, doch die Pferde gehen durch, und der Planwagen fährt weiter zum Schloss. Am Schloss kommt der Planwagen zum Stehen; ein Sarg fällt heraus und rutscht auf den Wassergraben, der von einer dicken Eisschicht bedeckt ist. Diana ist in dem Sarg, der im Planwagen geblieben ist. Charles will Dracula pfählen, doch der wacht zu früh auf und kämpft gegen Charles. Father Sandor erinnert sich daran, daß fließendes Wasser einen Vampir töten kann, und so schießt er Lücken ins Eis; Dracula rutscht schließlich ins Wasser und stirbt.

Während Christopher Lee wieder die Rolle des Grafen Dracula spielt, fehlt Peter Cushing als Dr. Van Helsing diesmal. Den Vampirexperten gibt in diesem Film Andrew “Quatermass” Keir. Ein anderes recht bekanntes Gesicht ist Charles Tingwell, der Alan Kent spielt; ihn kennt man als Inspector Craddock in den Miss-Marple-Filmen mit Margaret Rutherford.

Im Gegensatz zu "Horror of Dracula" spricht Dracula in diesem Film kein einziges Wort. Das überrascht, wenn man daran denkt, daß er in Horror of Dracula durchaus einiges an Dialog vorzuweisen hatte.

Insgesamt ist "Dracula: Prince of Darkness" auch ein sehenswerter Film; die Tatsache, daß Peter Cushing nicht mitspielt, schadet ihm nicht, und Hammer gelingt es besonders in der ersten Hälfte des Films, als Dracula noch nicht beteiligt ist, eine unheimliche Atmosphäre aufzubauen und beizubehalten.
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Django

Der Andere

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877

Donnerstag, 12. Oktober 2017, 08:14

Blade Runner 2049

Ich habe mir den Film letzten Samstag im Kino reingezogen (die 2D-Version, da ich eh' nicht binokular sehen kann...). Als ich gehört habe, dass Blade Runner nach 35 Jahren fortgesetzt werden soll, hielt das zuerst für eine bescheuerte und völlig unnötige Idee, ja praktisch ein "Sakrileg". Die überwiegend sehr guten Kritiken im Vorfeld liessen mich dann umdenken. Und was soll ich sagen? Ich habe es nicht bereut. Ich will hier keine Inhaltsangabe oder Interpretation abliefern - nur so viel: "Blade Runner 2049" ist eine kongeniale Fortsetzung. Naja, zumindest so kongenial wie möglich. Die Geschichte wird gekonnt, spannend, stimmig und atmosphärisch sogar noch "düsterer" weitererzählt, ohne sich am Original zu vergehen (wie zum Beispiel bei SPECTRE... :thumbdown: ). Und möglicherweise regt "Blade Runner 2049" sogar noch mehr zu Denken und "Philosophieren" an als das Original. Auch die Musik von Hans Zimmer, die stilistisch auf dem 1982er-Score von Vangelis basiert, darf als sehr gelungen bezeichnet werden, kommt allerdings nicht ganz an das Original heran. Sehr überzeugt hat mich Ryan Gosling, der übrigens vom Typ her durchaus das Zeug zum James Bond-Darsteller hätte, würde er es schaffen, seinen Hundeblick etwas abzulegen :D .

Ich war alles in allem mehr als positiv überrascht und kann nur empfehlen, "Blade Runner 2049" anschauen zu gehen. Wer den 1982er Blade Runner mochte (den man sich übrigens kennen sollte, bevor man sich "Blade Runner 2049" reinzieht. Es hilft doch sehr beim Verständnis der Details. Zudem hat man dann schon einen Anhaltspunkt, ob man mit dieser Art von Film überhaupt was anfangen kann), wird auch "Blade Runner 2049" mögen :thumbup: .

Zardoz

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878

Donnerstag, 12. Oktober 2017, 12:34

@Blade Runner 2049

Ich freue mich auch schon sehr auf den Film, den ich mir im Kino ansehen werde. Da ich lediglich eine alte DVD-Version von Blade Runner (1982) besaß, kaufte ich mir nun den Streifen abermals - diesmal in UHD. Das Original empfand ich immer als visionär. Die Atmosphäre, die der Film entwickelt, ist schier unglaublich. Ich hoffe doch sehr, dass mich die Fortsetzung überzeugen wird, was ich aufgrund der erwähnten Kritiken auch annehme. An dieser Stelle sei noch einmal auf den Autor Philip K. Dick verwiesen, der die literarische Vorlage zu Blade Runner schuf. ARTE widmete ihm ein sehenswertes Portrait, welches zurzeit noch in der Mediathek zu sehen ist; Titel: Philip K. Dick und wie er die Welt sah
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  • »Daniel Schweikert 1996« ist männlich

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879

Mittwoch, 15. November 2017, 22:09

Mangels Platz in zwei Beiträgen untergebracht: WALL STREET, 1987


...und lief er erst vor
wenigen Tagen wieder im Fernsehen, so sah ich ihn doch schon vor Jahren
und wünschte, ich hätte ihn bereits zum Entstehungs- und
Erscheinungszeitpunkt in aktuellster Frische erleben dürfen:
WALL
STREET, jenen Film gar, welcher Oliver Stones unangefochtene Brillanz
als Drehbuchautor politischen Zündstoffs unterstreicht, grandiosen
Gedankengutes streift der Meister des Niederschreibens schonungsloser
Wahrheiten die in ihrem Ärgernis erregten Gemüter der ganz und gar
großen menschlich personifizierten Haifische New Yorks und in der daraus
resultierenden Regieübernahme, gelänge ihm hiermit ganz nebenbei der
nach (oder gar neben) „Natural Born Killers“ beste, ja gar vollendetste
Film seines eindrucksvollen Oeuvres, lasset euch verzaubern wie zugleich
in Erschrockenseinszustände versetzen von einem finanzperversen
Sammelsurium der vergifteten Schönheiten, geprägt von grässlicher Poesie
und ekelerregenden Gierorkanen purer Dekadenz des Grauens!

Angedacht
war diese Rezension in einiger Zeit zum Zwecke eines
Rezensionsjubiläums meinerseits, doch da ich dem 30-jährigen Bestehen
des Films deutlich mehr Bedeutung beimesse als irgendwelchen eigenen
Geschichten des Schreibens, sei meine Wartezeit nun verkürzt worden und
so werde nunmehr ein großer Teil dessen niedergeschrieben, was mich an
diesem etwas in uns brodeln und beben lassenden Kunstwerk katastrophaler
Zustände so fasziniert und in innere Wallung versetzt.
Alles begänne
recht zart und betagt, ja gar fast unbeschwerten Klanges meldet sich
eine Sinatra-artig anmutende Stimme zu singendem Worte und die Kamera
schwelgt einzig und allein für uns Zuschauer in den Bildern der ungemein
unübersichtlichen Geschäftsstadt.
Erwähnenswert in jedem Falle, wie
könnte es der Fan in uns vergessen, ist zweifelsohne die unsagbar
allgegenwärtige Dauerpräsenz zitatwürdiger Aussagen, der Zuhörer wartet
geradezu darauf, Gordon's regelrechten Stürmen des Redens zuzuhören, sie
auf sich wirken zu lassen und den ebenso belustigenden wie
erschreckenden Ausbrüchen seinerseits zu lauschen, Michael Douglas böte
damit in seiner Rolle als Mister Gekko seine unerreichte Bestleistung,
diese Meinung meinerseits ergründet sich allerdings keineswegs in dem
dafür von ihm erhaltenen Oscar, denn offen gestanden waren mir die
Oscars schon immer völlig gleichgültig, eine Auszeichnung etwa in
Cannes, war, wenn auch nicht finanziell und gerade die Finanzen spielen
im Leben des Gordon Gekko eine tragende Rolle, in meinen Augen schon
immer deutlich mehr wert, wenn es um die künstlerische Ebene des
In-eine-Rolle-Eintauchens ginge.
Hier vollbrächte er demnach sein
Maximum, wir könnten nun noch so viel über einige wenige weitere
Wunderwerke wie etwa „Black Rain“ und „Basic Instinct“ reden und
obendrein bliebe es ohnehin eine geschmäcklerische Frage, die
beantwortet zu werden unmöglich zu sein scheint, doch am Ende des Tages
(oder nach Börsenschluss), wäre es eben doch DIESER Film, dem die Ehre
zuteil wird, diesbezüglich an erster Stelle Erwähnung zu finden.
Doch
was ginge in Ihnen, werte Leserin, werter Leser, im Einzelnen vor, wenn
Sie die bisherigen Worte meiner Meinungsäußerung betrachten?
Korrekt,
Bud Fox (Charlie Sheen) wird erstaunlicherweise mit keinem Wort
erwähnt, keines verlöre ich offenbar hinsichtlich seiner Wenigkeit,
bildet er doch im ursprünglichen und eigentlichen Sinne des Films die
Hauptfigur.
Die Tatsache, dass die Zeichnung des Charakters Gekkos
unendlich viel Raum einnähme, nimmt zwar faszinierende Gestalt an, doch
sie bildet im Rahmen des Films sowohl Segen wie Flüche zugleich:
Das
Faszinosum des einnehmenden Wesens Gekkos (herrlich „dreckig“
synchronisiert von Volker Brandt – und ihn kann man wirklich als
Stammsprecher bezeichnen, nur wenige Schauspieler genießen derartige
Kontinuität in ihren Synchronstimmen) ging auf Kosten der beruflichen
Entfaltungsentscheidungen mancher Zuschauer, Douglas himself erzählt
etwa von Personen, die sich durch Gekko haben inspirieren lassen, einen
ähnlichen Weg einzuschlagen, das gefängnisartig angehauchte Finale
spielt hier offenbar eine eher untergeordnete Rolle, die Philosophie
dahinter ließe wohl ausschließlich den Rausch der Momentaufnahme von
zählender Bedeutung sein, Folgen und Konsequenzen sind zwar nicht
unwichtig, werden aber in atemberaubend absurder Gelassenheit
ausgeblendet.
Die Hauptfigur des jungen Fox geriet zunehmend in den
Hintergrund, die verführerische Reden haltende Darstellung Gekkos ist
ebenso ergreifend wie gefährlich, gleichermaßen grandios wie
geschmacklos dem Schicksal der Welt gegenüber, ertappen wir uns doch
zuweilen tatsächlich dabei, ihn zwar nicht direkt zu „mögen“, Teile
seiner selbst aber andererseits auch nur bedingt zu verachten .
Mag
er den Film auch zu 99 Prozent leiten, tragen und steuern, so ist es
nicht zuletzt auch die Ausstrahlung der eine einzige Filmkulisse
bildenden Millionenstadt, die den Film zwar auf den ersten Blick nicht
gerade besonders erscheinen ließe, ihm aber zu authentischem Glanze zu
verhelfen vermag, sie wirkt unerträglich eng und poetisch breitflächig
zugleich, in ihr kann der Mensch sowohl auf- als auch untergehen, ihr
Gift versprüht sie mit einem sanften Hauche, als handle es sich um den
Duft eines Parfüms, welches zwar völlig überteuert ist, für dessen
Geruch sich die Menschen aber unbedachterweise auch noch GERNE
verschulden...
Bud erweist sich bereits zu früher Lebensstunde als
ein äußerst kommunikativer und aufgeweckter Bursche, unterhaltsam ist
vor allen Dingen auch ohne jeden Zweifel sein – ehe Bud abzuheben
begänne – nächster und engster Arbeitsangehöriger/Kollege („...aber das
Gewissen hat man ihm bei der Geburt entfernt“ , „ach, mach' dir nichts
draus, du hast dem großen Gordon Gekko die Hand geschüttelt und hast
noch alle Finger“ etc., um nur zwei Beispiele seiner sehr realistischen
Scherze aufzugreifen).
Wir werden Zeuge extremster beruflicher
Hektik, wie sie vermutlich selbst den unsensibelsten Zeitgenossen
verstehen ließe (oder auch nicht...), warum es immer Menschen geben
wird, die einen sogenannten burnout erleiden, deren Belastbarkeit
demnach eingeschränkt wird dieser und jener Umstände wegen.
Nicht
selten sagt uns die innere Stimme des Filmfan-Daseins, dass es nicht
wenige Parallelen zwischen Wall Street und dem gleichaltrigen, ebenfalls
30-jährigen, „Das Geheimnis meines Erfolges“ (den ich mit leichten
Abstrichen auch wärmstens empfehle) zu beobachten gäbe und gälte, das
Ziehen der Vergleiche hinkt allerdings ein wenig, die Grundatmosphäre
mag im Porträt der monströs großen Stadt Ähnlichkeiten aufweisen, ebenso
wie Teile des Storyverlaufes, doch Wall Street erfüllt deutlich
ernstere Ansprüche, stellt diese teils auch an den Zuschauer und bildet
somit keine komödiantisch anmutende Stimmung der Lachmuskelerregung ab,
sondern begibt sich in eine gänzlich andere Richtung, die, zu meinem
Nicht-Bedauern, NICHT in ein klischeehaft fröhliches Ende führt und zum
sexy Jubel der Nacht, sondern in lobenswert ehrliche Leere mündet, was
dem Film eine ungemein harte Glaubwürdig- und Wahrhaftigkeit verleiht.
In
einer gegenwärtigen Jubiläums-Dokumentation, welche kürzlich auf dem in
diesem Jahr ebenfalls ein Jubiläum zelebriert habenden Ausnahmesender
arte zu bewundern war, lässt Stone höchstpersönlich die Information
anklingen, im zweiten Teile Wall Streets habe es eine Nebenrolle von
TRUMP (das gefiele ihm wohl, dass ich seine Buchstaben groß schreibe,
als wollte ich sie auf seinen tower printen...) gegeben, schmunzeln
durfte ich anschließend offen gestanden an dem Punkt, als Stone uns
offenbarte, er habe die Szene herausgeschnitten, weil er sie ob der
ohnehin schon vorhandenen Länge des Films nicht als wichtig empfand – da
hat sich der neue 'Regierungsmeister' sicher grün und blau gefreut, als
ignorabel gegolten haben zu dürfen, in jedem Falle legt er ein
Verhalten an den Tag, als hätte er Gekkos Wundervorstellung in Wall
Street 1 ZU (!) oft auf sich wirken lassen , Inspiration kann positiv,
oder aber auch negativ geprägt sein .
Auf den Boden der Tatsachen
zurückgerufen, wird Bud in aller Regel von seinem Vater (selten
lächelnd: Martin Sheen, den ich aber hauptsächlich aus seiner
schmierigen Rolle aus „Das Mädchen am Ende der Straße“ mit Jodie Foster
vor Augen habe und somit nur bedingt als Sympathieträger wahrnehme), das
Gegenteil dieser Tatsachenberichte wiederum ... bewirken, wie könnte es
anders sein, Gordon und nicht zuletzt Darien (sein vorübergehendes
Herzblatt, alterstechnisch ist sie – wenn auch eher in der Nähe von Bud
platziert – sozusagen zwischen Bud und Gekko positioniert, ein weiterer
Punkt, welcher das Potential böte, für die Vorhandenheit
zwischenmenschlichen Zündstoffs Sorge zu tragen, denn auch Gordon ließ
seine gierigen Geldfinger gern in ihrer Nähe Bewegung erzeugen).
In
der Tat verliert sich das Werk mitnichten ungern in vielen verspielten
Details, ich dächte da etwa an Buds bevorzugt am Telefon vollführten
kleinen Flirtversuche mit Gekkos Sekretärin Natalie (Nata, ein
wundervoller Name fürwahr, mit welchem ich auch viel schmerzhaft schöne
persönliche Nostalgie in Verbindung brächte, aber neben Gekko sei es im
entferntesten Sinne schon der zweite namentliche Reptilienbezug
innerhalb des Films, in gewisser Weise verbirgt sich hierin womöglich
eine Art von Symbolik, schließlich bedarf es in einem solchen Geschäft
offensichtlich tatsächlich gelegentlich der Fähigkeit, eine Schlange zu
sein, es sei denn die Gier in uns ließe sich mittels überschaubarer
Gelder stillen, dann bestünde für eine ehrliche Vorgehensweise unter
Umständen wenigstens der Hauch einer Chance, gleichwohl auch hier eher
Schwarz zu sehen ist).
Weitere besagter Details verspielter Art
werden wie Brotkrümel über die gesamte Filmrolle verteilt, Wall Streets
Welt ebenso fiktiver wie realer Art, spiegelt Schattenseiten und
Ruhmesblätter wider, herrlich auch der 85er Computer, der er aus
gegenwärtiger Sicht kaum den Glauben zuließe, dass mithilfe eines
solchen Gerätes einstmals Millionengeschäfte absolviert worden sein
sollen, köstlicher Nostalgie wischt sich der Zuschauer die Lachtränen
aus den Augen, entbehren die Bilder doch nicht einer gewissen Komik,
gerade in den Augen meiner Generation.
In das zweifelhafte Geschehen
waren zwar zum damaligen Zeitpunkt noch nicht notwendigerweise die
Banken involviert, zumindest nicht in dem Maße, welches heutzutage für
rümpfende Nasen sorgt, wenn die Menschen das – an und für sich völlig
akzeptable – Wort Bank nur hören, doch dafür erwiesen sich die einzelnen
Finanzhaie, deren Möglichkeiten aufgrund der teils noch begrenzt
gewesenen Transparenz groß waren, als umso gieriger/gekko'esker.
Wahrlich,
der Film will in der Tat als Kritik verstanden werden, doch dafür,
pardon, ist Gekko schlicht und ergreifend zu „unangenehm sympathisch“,
er wirkt wie eine liebenswert alberne Karikatur, im nächsten Moment
wiederum wie ein verächtliches Loch des Allerwertesten , welches
praktisch 1:1 der Realität entnommen sein könnte.
59 Tage über (!),
ist der junge und aufstiegsgewillte Bud versucht, bei Gekko anzurufen
und telefonischen Kontakt zu knüpfen, mitnichten gedenkt er locker zu
lassen, die Beharrlichkeit kann entweder als naiv, oder aber als
bewundernswert eingestuft werden, womöglich läge auch kaum ein
Unterschied dazwischen, ich persönlich habe mir immer gewünscht, einmal
naiv sein zu können und stets zu solchen Menschen aufgeblickt, diese
Eigenschaft aber nie so recht errungen .
Gekkos Geiz mag belustigend
erscheinen, siehe etwa sein Verhältnis zu Ärzten sowie die daraus
resultierende Blutdruckanlage im Büro, sodass er praktisch den Arbeits-
und Heilungsprozess gleichzeitig vereinen kann, doch so amüsant seine
Aussagen auch erscheinen mögen, so giftdurchtränkt verkommt ihr Inneres
oftmals zu einem Abgrunde des Seins, … „wenn der Kerl ein
Bestattungsunternehmen hätte, würde niemand sterben!“, flucht er etwa
über einen seiner Meinung nach weniger geschäftsfähig als er seienden
Kollegen, beinahe hätte ich „ein potentielles Opfer“ gesagt.
Er
bezeichnet uns (uns setzt aber voraus, dass wir uns in der halbwegs
braven Rolle des Bud sehen, nicht jener des weltmännisch unbarmherzigen
Gekko') als seinen Kumpel oder auch als Buddy bzw. Sportsfreund, nimmt
uns unter seine zwielichtigen Fittiche , um aber schon im Rahmen der
nächstfolgenden Momentaufnahme unmissverständlich darauf hinzuweisen,
dass er Verluste nicht leiden könne, d.h. also im Fähigkeitsprofil:
Druck
auszuüben, aber ohne unhöflich zu werden, ist wahrhaftig seine
Kernkompetenz, er spricht den Menschen charmante, fast liebevolle
Drohungen aus mittels rhetorischer Brillanz und unverschämter Fähigkeit
zur Ausstrahlung von Charisma .
Aufstieg und Fall werden auf
dramaturgisch gehobenem Scarface-Niveau schonungslos und ohne jede
Ausnahme ausgetragen, alles Erdenkliche beinhaltend, sich entwickelt
habend zum KULTFILM, gleichsam aber als anspruchsvolle Denkanregung
gelten könnend, inmitten der gestreckten, auf Neudeutsch 'gestretchten',
Luxuslimousinen Lincolns und darüber hinaus auch in jenen vonseiten der
Marke Cadillac, wird auf der breit belederten oder aber alternativ das
Kuschelvelours zelebrierenden Rückbank außerhalb der Öffentlichkeit und
unter Ausschluss aller Zuhörer (vom Chauffeur einmal abgesehen) Klartext
geredet – und Klartext ist hier wohl noch die diplomatische
Formulierung.
Auch Gekko, ja, auch Gekko, hat Gefühle und trüge etwas
Menschliches in sich, er lässt immer klarer durchblicken, keine
„bessere Bildung“ genossen zu haben und so wie es scheint, war er
tatsächlich in der Praxis der wohl einzige Mensch, der ihm als
dauerhafte Stütze und stabile Karriereleiter zur Verfügung gestellt
worden ist – wenn jemand so bissig ist wie er und unzählige
Arbeitsstunden aushält, mag das gutgehen , an und für sich bildet der
Film aber eine klare Kritik am Bildungssystem, denn die Tatsache dass
diese Selfmade-Millionäre (oder alternativ: Menschen, die praktisch
überhaupt kein Geld verdienen und das andere Extrem bilden, je nachdem
ob der Versuch fehlschlüge oder nicht), Leute demnach, welchen nicht
unter die Arme gegriffen wird, überhaupt erst entstehen müssen, ist ein
Armutszeugnis für alles angeblich Soziale auf dieser Welt, nicht umsonst
philosophiert der Meister in diesem Film über die FREIE Marktwirtschaft

Damit kritisiere ich den freien Aufstieg keineswegs – wenn er
funktioniert: von mir aus!, ...doch sollte dem nicht so sein, so boten
die United States von 1985 eben KEIN nennenswertes soziales Netz zur
Stabilisierung und allgemeinen finanziellen sowie nicht zuletzt
seelischen Erholung.
In dieser Hinsicht hatte es Gekko seinen Worten nach zu urteilen recht schwer, gar eher noch als Bud.
„Die
meisten Harvard-Absolventen taugen einen S....ßdreck, ich brauche
Leute, die arm, clever und hungrig sind – und ohne Nerven!“, so seine
Kurzanalyse bezüglich der Frage, wer seine Art von „Geschäft“ wirklich
und wahrhaftig zu managen versteht.
Gekko verführt Bud zur obersten
Manipulationskunst , beide Herren teilen , obschon sie auch durch 20
Lebensjahre getrennt werden und Gekko praktisch doppelt so lange unser
Universum zu ertragen verdammt war, die Eigenschaft, einen Vater
beobachtet zu haben, der sich jeweils vor lauter ehrlicher Arbeit in den
Augen Buds und Gekkos fast zugrunde gerichtet hat (dabei spielt es
offenbar keine Rolle, dass Martin Sheen im Film mit 47.000 Dollar Brutto
pro Jahr ein wie ich finde durchaus respektables und
inflationsbereinigt straffes Gehalt einnahm, es passt schlicht und
ergreifend nicht in die Welt von Bud und Gekko, die kaum bemerken, dass
sie rein zeitlich betrachtet mindestens genauso viel arbeiten wie diese
angeblichen „armen Verlierer“, die aber im Kerne keine sind).
In
beiden Richtungen identifizieren sich die sowohl ungleichen als auch
ähnlichen Charaktere Gekko und Bud mit- UND füreinander, das
Freundschaftsverhältnis mutet fast rührend an, gäbe es da in alsbaldiger
Zukunft nicht eine winzige Kleinigkeit, die sich Gekko dann eben doch
mal zunutze macht, sich sozusagen „GEstattet“, indem er anderswen
BEstattet …!
"L oyalität bedeutet mir wesentlich mehr als Geld."

  • »Daniel Schweikert 1996« ist männlich

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880

Mittwoch, 15. November 2017, 22:10

...

Die unstillbare 80er Dekadenz, gepaart mit einem
Verlangen in seiner gnadenlosest-möglichen Form, bildet das Grundgerüst
des Meisterwerkes, all dies porträtiert der Film in Perfektion und
präsentiert uns eine zu verkommen drohende, aber zugleich nicht einfach
beschimpft werden wollende (denn das wäre zu einfach) Welt, deren
Errettung zwar unmöglich ist, doch der Weg dorthin bilde den Sinn des
Lebens eines jeden Einzelnen von uns, sofern wir überhaupt in der Lage
sind, uns NICHT die Sinnfrage zu stellen, sondern schlicht und
ergreifend naiven Schrittes loszurennen , auch auf die Gefahr hin,
gelegentlich mal buchstäblich in die Sch...e zu treten.
Einer der
betagteren Mitarbeiter in Buds (eigentlicher und ursprünglicher)
Arbeitsabteilung ist stets bemüht, ihm mit ein paar kleinen Weisheiten,
welchen etwas Väterliches innewohnt, gut zuzureden, doch da Ratschläge
in gewisser Weise Schläge sind und sich Buds Arbeitsmoral und
Vorgehensphilosophie eher auf den momentweisen Exzess denn die
dauerhafte Vorausplanung bezöge, wird er dem älteren und das
Kontinuierliche pflegenden Herrn erst etwas spät Gehör schenken , der
Abschied erfolgt in Form einer abgründig wahren Metapher…
In einem
Film wie diesem, beinahe hätte ich einer WELT wie dieser gesagt,
verklagt im Grunde genommen jeder jeden, denn wer nicht klagt und beißt,
ist hier praktisch inexistent, es herrscht das Gesetz der Gesetzlosen,
Gekko ist „gütiger“ Mentor und grausame fleischgewordene
Gewissenlosigkeit zugleich, der Teufel in Person einerseits, aber
andererseits jemand, der selbst dem jüngsten Mitglied seiner Truppe
bisweilen etwas Gehör schenkt, wenn auch nur aus dem leicht egoistischen
Grunde, sich selbst in ihm zu sehen und somit sentimental zu werden, so
er denn zu solchen Gefühlen fähig ist .
Ausgerechnet Buds
Ehrlichkeitsfanatiker von Vaterfigur, empfahl dem Jungen etwa, Anwalt zu
werden, es würde mich allerdings wundern, würde dieser alles „Gehobene“
verurteilende Mann einer Branche wie der des Anwalts trauen – womit ich
übrigens niemanden aus diesem Bereich unter Generalverdacht stellen
möchte, vielmehr spiele ich ein wenig mit Klischees, in manch einem mag
Wahrheit verborgen liegen, in einem anderen wiederum eher weniger oder
gar überhaupt nicht, es wird wohl auch eher eine Form des persönlichen
Zorns sein, da ich mit einer bestimmten Anwältin einst äußerst schlechte
Erfahrungen machen durfte .
Unstillbare Gier und andererseits ein
Quantum Restherz, welches uns noch innewohnt, diese beiden
Persönlichkeits- und Gesellschaftskomponenten gehen in diesem Film Hand
in Hand durch das Feuer der in Bälde auf uns wartenden Gefängnisnächte,
das Leben folget seinem Weg der scheinbaren Grenzenlosigkeit ,
messerscharf wird auch das Das-einen-Freud-des-anderen-Leid-Prinzip auf
den Punkt gebracht, etwa in der taktlosen Aktion, praktisch in ein- und
demselben Atemzuge einen älteren Herrn und Mitarbeiter zu entlassen und –
ehe er uns verlässt – Bud bereits in das bessere Büro zu bitten,
wahrlich sehr sensibel vom Vorgesetzten, noch nicht einmal zu warten,
bis das „Auslaufmodell“ aus dem Salon entschwindet …
„Wer bin ich?“,
fragt sich Bud nächtens , als er nachdenklichen Grübelns aus dem Fenster
sieht und mitnichten gänzlich zu fassen und zu realisieren imstande
ist, wo er eigentlich angekommen zu sein scheint .
Und da wir gerade
bei Fenstern sind – Gekko bettet dieses Wort wiederum in einen anderen
Zusammenhang ein und lässt sich mal wieder eine drastischere, herrlich
schwarzhumorige Theorie einfallen, nicht ohne spöttisch zu grinsen
versteht sich:
„Liebe – den Schwachsinn haben sich die Menschen ausgedacht, damit sie sich nicht aus dem Fenster stürzen!“
Gordon
versteht es durchaus, sich auch von starken und aussagekräftigen
Gegenargumenten anderer nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, er
reagiert blitzgescheit mit einer fast schon hypnotisch anmutenden Rede,
u.a. über die Gier im Menschen, im Zuge dessen sowie im Zusammenhange
mit allem anderen, was er mit Gekko veranstaltet, wird Bud zwar
zunehmend größenwahnsinniger, aber in Anbetracht der Skrupellosigkeit
des Mentors und Förderers stellt das auch wahrlich kein Wunder dar,
Gekko gelänge es doch selbst noch bei den anständigsten Mitbürgern, sie
hemmungslos in seinen Bann zu ziehen, in seiner Welt verfällt JEDER dem
Gelde – wenn er die Gier anderer eben gerade für seine eigenen Zwecke
benötigt, eine Ausnahme bildet dabei lediglich die unbequeme Begegnung
mit Buds Vater, der das Spiel durchschaut und genauer in die Trickkiste
des magischen Zauberers Gekko blickt .
Des jungen Mannes Verhältnis
zu seinem Erzeuger leidet massiv unter dem neuen „Ziehvater“ namens
Gekko – bis Bud eines unschönen Tages doch noch nachträglich (eigentlich
immer noch recht früh) zur Besinnung kommt, gleichwohl ich auch sein
vorheriges Verhalten irgendwo durchaus nachzuvollziehen imstande bin,
der Reiz ist eben oftmals größer als die Vernunft, zwar kann ich mich
mit dieser Art von Gedankengut nicht identifizieren, aber ich halte es
für völlig verständlich, dass manch einer anders dazu stehen mag und
entsprechend zupackt.
Fox ist nunmehr Leiter (!) einer
Fluggesellschaft/Linie – die Freude bezogen auf die Übernahme des
Arbeitgebers seines Vaters allerdings, wird für Bud von äußerst kurzer
Dauer sein, hier wären wir bei der Karriere angelangt, die „kürzer als
die von diesem Papst“ sei.
„Ich erschaffe GAR NICHTS!“, sagt Gekko
doch tatsächlich von sich selbst, zumindest in Buds Gegenwart ist er ein
einziges Mal ehrlich, allerdings während ihn der Fensterputzer
vermutlich fast hören könnte, sofern Gekko die normale Umgebung
überhaupt noch wahrzunehmen fähig ist.
Er gibt offenen Herzens zu,
dass sein Werk nichts Kreatives entstehen ließe und somit keine
Operation an der Kunstfertigkeit unserer Welt vornimmt, er beherrscht
lediglich den geschulten (oder eher einer Begabung zu verdankenden)
Umgang mit der teuflischen Genialität, das entsprechende Geld schnell
den Besitzer wechseln zu lassen – und mit dem neuen Besitzer sei
wohlgemerkt stets seine Wenigkeit gemeint („zum Teufel noch mal, dann
machen wir eben nur zehn Millionen!“)
Auch Darien scheint nur bedingt
und sehr eingeschränkt zu Bud halten zu können, ihre Gefühle sind zwar
durchaus vorhanden, werden aber unangenehm überschattet von dem Willen,
„nicht einfach nur weiterzuleben“, das sei ja schließlich „nichts
Besonderes“, vielmehr müsse sie weiterhin im Luxus schwelgen, hierauf
reagiert Bud hochgradig erzürnt, sein urplötzliches „Das ist doch
Schwachsinn!“, ist eine der lautesten Synchronarbeiten, die ich bislang
erlebt habe, auch erstaunlich wie viel Kraft Benjamin Völz hier aus sich
herausgeholt hat, denn voluminöser und dominanter wurde seine Stimme
eigentlich erst in den 90ern und 2000ern.
Sein Vater natürlich,
vergleichen wir ihn mit Darien und insbesondere mit Gekko, ist
selbstredend wiederum die Personifikation des anderen
Extrem-Meinungsbildes, er verteufelt die gesamte Finanzwelt, die
Kreditkultur etc., in der Tat können seine Angriffe auf alles
Geldbezogene wohl auch nicht die Antwort sein, die Richtigkeit läge
vermutlich im Rahmen der Mitte – und ebendiese Mitte, sprich den
Hauptteil, verlassen wir auch nun im Rahmen der Rezension, lassen Sie
sich langsam zum Ende geleiten, wir schweben in Richtung des
Gefängnisses ...

Die Geschehnisse spitzen sich zu:
Bud setzt
einen von Gekkos Erzfeinden frontal und direkt auf Gekko an, aber aus
dem Hinterhalt – während Gekkos von Technik begeistert seiendes Kind
fröhlichen Spielschrittes vergnügt zu sein scheint, führt sich der
„Meister“ die Börsennachrichten zu Gemüte und stellt unerfreut fest,
dass Bud gewisse Maßnahmen zu ergreifen vermochte, nun hat Gekko
durchaus Grund zu der Annahme, es gäbe einen Anlass, die Beherrschung zu
verlieren.
Derselbe taktlose Chef, welcher Bud im neuen Büro
lobenden (und den Entlassenen gedemütigt habenden) Wortes willkommen
geheißen und empfangen hat, demütigt jetzt den jungen Börsenschlingel
und verscheucht ihn nun sehr barsch, nachdem die Polizisten ihn wegen
Beteiligung und Beihilfe an und zur Kursmanipulation fest- und in
Gewahrsam genommen haben...
Auf dem Wege zum Knaste ist Bud übrigens
nicht angeschnallt – nun dürfen Sie darüber spekulieren, ob dieses
Detail wohl daraus resultiert, dass das Sicherheitsdenken damals noch
recht unüblich war, oder ob es ein gekonnt versteckter Suizidal-Hinweis
darauf sein soll, dass er inzwischen kaum noch etwas zu verlieren zu
haben scheint und demnach im Falle eines Unfalls sogar GERNE diese
groteske Goldwelt zu verlassen gewillt sein könnte … ?
Nun, Freunde
des Films, wir wissen es nicht (obgleich er gegen Ende in gewisser Weise
reicher ist als zu seinen vorherigen Glanzzeiten), schließen die
Rezension aber zweifelsfrei mit dem Fazit, dass es sich um eines der
intensivsten, immer wieder zu bewundernden Werke der 80er Jahre handelt,
lebend von Kontrasten, Ideenreichtum und unsagbar hohem Wahrheitsgehalt
in den Inhalten der durchaus berechtigten, hier nun auf die Spitze
getriebenen Gesellschaftskritik, so erschütternd, so grandios !

Kind des Lichts,
das Geld bist du nicht,
Erlösung doch am Ende sticht's,
verklärt und blendet unsere Sicht.

Lasset uns suchen nach des Wahren Kern,
doch wo zu suchen wir begännen?,
die Antwort stünde auf einem anderen Stern,
es ist der Weg wir ihn noch nicht kennen …

So scheiden wir in Unwissenheit,
verlassen die Welt und verstehen sie kaum,
des Geldes Schwäche wird sein die Einsamkeit,
ja selbst die Million verstünde nicht auszufüllen unseren inneren Raum.
"L oyalität bedeutet mir wesentlich mehr als Geld."